Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Entdecken Aus der Forschung: Ringeltauben-Besenderung der JLU

Forschung  Ornitho  Vögel 

Aus der Forschung: Ringeltauben-Besenderung der JLU

Trackingdaten besenderter Ringeltauben geben Aufschluss über die Überwinterungsgebiete.

Ringeltauben (Columba palumbus), eine der vier in Deutschland heimischen Wildtaubenarten, zählen mit etwa drei Millionen Brutpaaren zu den häufigsten Brutvögeln Deutschlands. Seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Populationsgröße der Ringeltauben in Mitteleuropa stetig angestiegen. Eine zunehmende Verstädterung, der ehemals waldbewohnenden Art, ist seit etwa 1920 zu beobachten. Heute trifft man die ehemals ausschließlich waldbewohnenden Ringeltauben in Stadt und Wald an. Ringeltauben aus Deutschland sind Teilzieher, d.h. ein Teil der Ringeltauben zieht im Winter z.B. nach Frankreich oder Spanien, während der andere Teil im Brutgebiet verbleibt.

Winterbeobachtungen von Ringeltauben nehmen in den letzten Jahrzehnten in einigen Regionen Deutschlands zu, so dass angenommen wird, dass in vielen Regionen eine Überwinterung im Brutgebiet zunimmt. Dies ist bisher jedoch aufgrund fehlender Kenntnisse zu den Aktivitätsradien der Ringeltauben und aus dem Norden zur Überwinterung zugezogenen Individuen schwer nachzuweisen.
Wo verbringen die „hessischen“ Ringeltauben den Winter? Um dies zu beantworten, werden von der AG Verhaltensökologie und Ökophysiologie der Justus-Liebig Universität Gießen seit dem Jahr 2018 Ringeltauben mit einem solarbetriebenen GPS-GSM Sender ausgestattet, der bei ausreichendem Batteriestand alle fünf Minuten eine GPS-Position aufzeichnet. Anhand der erhaltenen Trackingdaten kann eine Überwinterung im Brutgebiet eindeutig nachgewiesen oder die Zugrouten und die Überwinterungsgebiete außerhalb Deutschlands festgestellt werden.
Während im Winter 2019/20 knapp ein Drittel der in Gießen besenderten Ringeltauben zur Überwinterung nach Frankreich gezogen ist, verbleiben diesen Winter (2020/21) bisher alle Individuen im Gießener Raum.

Die Ringeltaube in Hessen
In Hessen brüten vermutlich knapp 200.000 Ringeltaubenpaare und die Verstädterung hat sich hier so weit fortgesetzt, dass es kaum noch Ortschaften ohne Brutvorkommen gibt. Auch als Überwinterer wird die Art zunehmend, in den niedrigen Lagen der südlichen Landeshälfte mittlerweile wohl fast flächendeckend, beobachtet. Viele Meldungen von balzrufenden Tieren schon ab Mitte oder Ende Dezember deuten darauf hin, dass es sich zumindest bei einem nennenswerten Anteil der Überwinterer in Ortslagen um dort ansässige Brutvögel handelt. In ornitho.de wurden im Zeitraum vom 15.12.2020 bis 15.1.2021 in Hessen insgesamt fast 1900 Meldungen von knapp 25.000 Ringeltauben archiviert. In den letzten drei Wintern ist eine kontinuierliche Zunahme gegeben. Auch entlang der 135 km langen Zählstrecke entlang des hessischen Ederverlaufs, die Vogelkundler*innen von HGON und NABU seit Mitte der 90er Jahre zweimal pro Winter kontrollieren, konnte mit 463 Ringeltauben Ende Dezember ein Höchststand seit dem Winter 2009/10 gezählt werden. Höhere Zahlen liegen hier aus den Wintern um 2004/05 und auch 2009/10 vor, als infolge ausgeprägter Kältephasen offenbar viele sonst nordöstlich überwinternde Ringeltauben nach Süden ausweichen mussten. Und auch die diesjährige Synchronzählung der Ringeltauben des Stadtgebietes von Gießen ergab zahlreiche anwesende Ringeltauben, die zum Teil bereits Balzverhalten zeigten. Somit erscheint es möglich, dass überdurchschnittlich viele Ringeltauben, wie auch Vertreter verschiedener anderer Arten, durch den außerordentlich milden November zu einer Überwinterung veranlasst wurden.

Yvonne Schumm - Justus-Liebig-Universität Gießen
Stefan Stübing - HGON
 

Mehr Infos:
König et al. (2021): Zugvögel im Spätherbst, Kiebitzregenpfeifer im Binnenland und Merline im Jahresverlauf. Der Falke – Journal für Vogelbeobachter 2/2021.

Lübben S. & Maiwald M. (2009) Die Ringeltaube (Columba palumbus). Vom Waldbewohner zum Kulturfolger. Ökoporträt 47 NVN/BSH 3: 1-8.

Schlüpmann M (2009) Ringeltaube (Columba palumbus). In: Die Brutvögel Hagens – 1997 bis 2008 (pp. 107-110), Biologische Station Umweltzentrum Hagen e. V.

Schuster S. (2017) Verhaltensänderungen bei Ringeltauben Columba palumbus im Voralpenraum. Ornithol. Jh. Bad.-Württ. 33: 71–80.