Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Entdecken Blick ins ornitho-Archiv: Viele Nachtreiher in Hessen!

Ornitho  Vögel 

Blick ins ornitho-Archiv: Viele Nachtreiher in Hessen!

In diesem Jahr gibt es auffallend viele Meldungen von Nachtreihern in Hessen. Bislang wurden hier schon 15 der unauffälligen, gerne in der Dämmerung und nachts aktiven, südlich verbreiteten Reiher beobachtet.

Nachtreiher brüten in weiten Teilen Nord- und Südamerikas, Afrikas und Asiens. Der europäische Bestand der Art wird mit 60.000 bis 87.000 Paaren angegeben, die fast alle südlich einer Linie von der Bretagne südlich der Alpen bis nördlich des Schwarzen Meeres brüten. Große Brutvorkommen gibt es z.B.  in Frankreich und Ungarn. In Deutschland brüten Nachreiher lediglich in Bayern, vor allem im Donauraum, und im Raum Stuttgart in Baden-Württemberg mit insgesamt rund 20 Paaren.

Aus den Jahren ab 2012 liegen in unserem Raum Beobachtungen von maximal 14 Nachtreihern  im Jahr 2018 vor, 2019 waren es dann sogar 17 Vögel. Die bisher in 2020 festgestellten 15 Tiere stellen also schon jetzt das bislang zweitstärkste Auftreten der Art in Hessen dar. Auch bundesweit ist das Jahr 2020 durch, relativ zu den letzten Jahren, sehr hohe Zahlen in den mittleren und nördlichen Bundesländern gekennzeichnet. So wurden Nachtreiher in diesem Jahr von zehn Orten in Nord-rhein-Westfalen, 11 in Sachsen-Anhalt und 13 in Niedersachsen gemeldet. Vor gut 100 Jahren war der Nachtreiher in weiteten Teilen Deutschlands ein außerordentlich seltener Gastvogel. Aus Hessen liegen nur fünf Meldungen aus der Zeit von 1845 bis 1929 vor. Von 1958 bis zur Jahrtausendwende wurde die Art zwar fast alljährlich, aber mit meist nicht mehr als fünf und maximal zehn Vögeln pro Jahr bei uns nachgewiesen.  Insgesamt ist somit eine deutliche Zunahme vor allem in den letzten 15 Jahren erkennbar.

Das jahreszeitliche Auftreten in diesem Jahr ist dabei sehr typisch: bei den ersten vier Vögeln im Juni handelte es sich um zwei vorjährige, noch nicht brütende und zwei adulte Nachtreiher, die jeweils einzeln auftraten. Ab Mitte Juli tauchten dann vor allem Jungvögel an verschiedenen Orten und mit bis zu drei Tieren gemeinsam auf. Aufgrund der Seltenheit der Art als Brutvogel geht man davon aus, dass die regelmäßig bis in die nördlichsten Bundesländer beobachteten Nachtreiher vor allem Gastvögel aus den weiter südlich gelegenen, europäischen Brutgebieten sind. Die Jungvögel dort werden ab Ende Juni flügge und wandern dann ungerichtet schnell in alle Himmelsrichtungen ab. Bei diesem als Zerstreuungswanderung bzw. Dismigration bezeichnetem Verhalten werden Entfernungen von mehr als 800 km zurückgelegt. Besonders weit war ein beringter Jungvogel aus Frankreich mit 1.200 km geflogen, der aus Mecklenburg-Vorpommern zurückgemeldet wurde.

Zwar wurden Nachtreiher in Hessen auch schon als Brutvögel nachgewiesen, als im Zeitraum von 1968 bis 1980 in insgesamt sieben Jahren bis zu vier Paare im NSG Lamperheimer Altrhein in der Südspitze des Bundeslandes gefunden werden konnten. Aufgrund der sehr weiten Abwanderung der südeuropäischen Jungvögel stellen Beobachtungen allein von Jungen keinen Brutnach- oder -hinweis dar. Brutnachweise sind nur durch Nestfunde mit nestbauenden, brütenden oder fütternden Altvögeln möglich.

Foto adulter Nachreiher: Tom Kolossa

Foto diesjähriger Nachreiher: Franziska Schmidt

 

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