Den nordhessischen Bibern auf der Spur
Der Biber ist endgültig im hessischen Werratal angekommen.
Die nordamerikanischen Ureinwohner bewunderten und respektieren den Biber wegen seines Fleißes und seiner Fähigkeit, den Wasserstand in Flüssen und Seen zu regulieren. Sie nannten ihn den „Kleinen Bruder“. Im heutigen Hessen aber wurden die Biber bis zum 18. Jahrhundert vollständig ausgerottet. Bis ins späte Mittelalter waren Biber an der Weser und ihren beiden Quellflüssen Werra und Fulda noch weit verbreitet. Noch im 15. Jahrhundert gab es in der Landgrafschaft Hessen spezielle Biberjäger, die mit ihren für die Biberjagd (und die Fischotterjagd) abgerichteten Hunden im Land herumzogen. Aber bereits im 16. Jahrhundert waren Biber aus dem nördlichen Hessen verschwunden. In ganz Deutschland hatte nur eine winzige Population von weniger als 400 Tieren an der mittleren Elbe bis ins 20. Jahrhundert überlebt. Die Elbebiber (Castor fiber albicus) sind die einzige in Deutschland natürlich vorkommende Unterart des sonst auf der ganzen nördlichen Halbkugel verbreiteten Bibers.
Gründe für die Ausrottung waren vor allem die unkontrollierte Jagd nach dem dichten und wasserabweisenden Fell der Tiere. Auch war der Biber auf dem Konzil von Konstanz (1414–1418) durch ein päpstliches Edikt wegen des flachen, schuppigen Schwanzes und seiner amphibischen Lebensweise als teilweise zu den Fischen gehörend bezeichnet worden. Biberfleisch war damit als Fastenspeise zugelassen. Wertvoll war auch das sogenannte Bibergeil, der Duftstoff, mit dem Biber ihre Reviere markieren. Das Bibergeil wird in zwei, in der Nähe des Afters gelegenen Drüsensäcken gebildet. Es galt in der Naturheilkunde als wirksames Mittel gegen Nervenerkrankungen, Gliederschmerzen und Menstruationsbeschwerden. Das Bibergeil enthält neben anderen Wirkstoffen auch in hoher Konzentration Salicylsäure aus der Rinde der Weiden, die der Biber frisst, was die schmerzstillende Wirkung erklärt.
Der Biber in Hessen
Es dauerte dann bis 1987/88 als auf Betreiben des damaligen Vorsitzenden der HGON, Willy Bauer, 18 reinrassige Elbebiber Biber in den hessischen Spessart gebracht und dort an den Flüsschen Jossa und Sinn ausgesetzt wurden. Die Tiere haben sich gut vermehrt und Richtung Main, Wetterau und Fulda ausgebreitet. In Hessen gab es Anfang 2020 nach Angaben des Umweltministeriums mehr als 800 Biber in rund 240 Revieren. Die Population wächst jährlich um ca. 20 Prozent. Über die Rhön erreichten die Biber schließlich auch das Flusssystem der Werra in Thüringen und begannen sich langsam flussabwärts auszubreiten. Der erste Nachweis eines Bibers im Werra-Meißner-Kreis erfolgte am 11. Juli 2015, als auf der Bundesstraße 249 am Werratalsee ein Biber überfahren wurde. Im Jahr 2016 wurden erstmals eindeutige Biberspuren an der Werra bei Herleshausen dokumentiert.
Aktuelle Ausbreitungen im Werra-Meißner-Kreis
Im Jahr 2020 wurden erstmals frische Biberspuren an der Werra bei Eschwege-Niederhone und Meinhard – Jestädt entdeckt, wo die Tiere auch im Kiesabbaugebiet unweit der Wehremündung leben. Zahlreiche Ausstiege am Werraufer und viele von den Tieren gefällte Bäume beweisen die Anwesenheit der Biber, die hier einen idealen Lebensraum finden. Deutliche Hinweise auf Ansiedlung einer Biberfamilie finden sich an der Einmündung der Berka in die Werra bei Eschwege – Albungen.
Biber leben derzeit im Werra-Meißner-Kreis bei Herleshausen, wo in den letzten zwei Jahren auch Jungbiber zur Welt gekommen sind. Außerdem wurden an der Werra bei Wanfried, Meinhard, am Werratalsee bei Eschwege, bei Eschwege–Albungen, bei Bad Sooden-Allendorf, bei Witzenhausen und an der Landesgrenze zu Niedersachsen Biber und Biberspuren nachgewiesen. Damit ist die Werra im Werra-Meißner-Kreis jetzt durchgängig von Bibern besiedelt.
Ganz aktuell ist auch eine Ausbreitung der Biber bis in die Quellbereiche der Nebenflüsse der Werra festzustellen. Dies belegt eine Ansiedlung in diesem Jahr am Exbergsee, einem durch Braunkohletagebau entstandenen Gewässer bei Großalmerode im Quellgebiet der Wehre. Das ist nicht verwunderlich, denn Biber sind in der Lage, sich mittels Dammbau auch kleine Gewässer im Wald als Lebensraum zu erschließen, die sie zu Wohngewässern anstauen. Untersuchungen von Flurnamen ergaben, dass Biber früher bis in die Hochlagen der Mittelgebirge verbreitet waren.
Leider gibt es auch Totfunde von Bibern. Neben dem im Juli 2015 am Werratalsee überfahrenen Biber, kamen mindestens drei Biber auf der Straße an der Landesgrenze zu Niedersachsen am Flusskraftwerk „Letzter Heller“ zu Tode. Am 30. Januar 2020 wurde ein weiterer, toter Biber in der Werra bei Meinhard – Schwebda gefunden. Der Jagdverein Hubertus Kreis Eschwege e.V. hat das Tier dann mit Genehmigung der Naturschutzbehörde präparieren lassen und dem Geo-Naturpark Frau-Holle-Land für Lehrzwecke übergeben.
Dr. Jörg Brauneis - Arbeitskreis Werra-Meißner-Kreis