Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

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Ein vorbildlicher Schritt für den Vogelschutz am Inselrhein

Die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) begrüßt die vorbildliche Entscheidung der Unteren Naturschutzbehörde der Hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden, das jährliche Abschlussfeuerwerk des Schiersteiner Hafenfestes ab 2026 nur noch geräuschlos zuzulassen. Diese Verfügung stellt einen entscheidenden Fortschritt für den Artenschutz in einer der sensibelsten Naturregionen Hessens dar. Angesichts der unmittelbaren Nähe zum EU-Vogelschutzgebiet „Inselrhein“ und fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse über die dramatischen Auswirkungen von Feuerwerken auf Wildvögel ist dieser Schritt ein wichtiger Beitrag zum Artenschutz.

Die Notwendigkeit einer solchen naturschutzbehördlichen Entscheidung ist durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Erkenntnisse belegt. Sie trägt zudem den jüngsten, richtungsweisenden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und dem im März 2024 gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichenden Vogelschutzes Rechnung. Feuerwerke sind ein visuelles Spektakel, aber für Vögel auch ein Cocktail aus Stressfaktoren, wie plötzlichem Lärm, intensiven Lichtblitzen, chemischen Schadstoffen und Druckwellen.
Internationale Studien zeigen eindrucksvoll, welche verheerenden Auswirkungen der Lärm lauter Feuerwerke auf Wildvögel hat. Unmittelbar nach den Explosionen kommt es zu panischen Massenfluchten, bei denen die Vögel in große Höhen aufsteigen. Oft verbleiben sie über 45 Minuten desorientiert in der Luft. Diese nächtlichen Irrflüge enden häufig tödlich. Dabei erleiden die Vögel schwere Verletzungen wie Flügelbrüche, Schädel-Hirn-Traumata oder innere Blutungen, die oft zu einem qualvollen Tod führen, da die Tiere nicht mehr flugfähig sind. Sind es brütende Altvögel, bedeutet ihr Tod oder ihre Flugunfähigkeit auch den Hungertod oder das Auskühlen ihrer schutzlosen Küken im Nest. Besonders alarmierend ist auch die Langzeitfolge des Habitatverlusts: Untersuchungen, bei denen GPS-Tracking zum Einsatz kam, zeigen, dass Vögel ihre angestammten Ruhe- und Schlafplätze nach einer solchen Störung dauerhaft meiden können. Selbst physiologischer Stress in Form eines erhöhten Herzschlags ist messbar, auch ohne, dass ein Fluchtverhalten sichtbar wird.

Die Vogelwelt des Inselrheins

Für das direkt angrenzende EU-Vogelschutzgebiet „Inselrhein“, zu dem sowohl das Schiersteiner Teichgebiet als auch die Rettbergsaue – die zugleich ein Naturschutzgebiet ist – gehören, sowie für das nahegelegene Naturschutzgebiet „Niederwallufer Bucht“ ist es von zentraler Bedeutung, überflüssige Störfaktoren zu vermeiden. Im Schiersteiner Teichgebiet brüten im Sommer Vogelarten, die auf der „Roten Liste der bestandsgefährdeten Brutvogelarten Hessens” aufgeführt sind. Einige von ihnen sind vom Aussterben bedroht, wie beispielsweise Zwergdommel, Reiherenten und Schilfrohrsänger, andere sind stark gefährdet, wie der Drosselrohrsänger. Die Rettbergsaue ist zudem einer der wichtigsten Schlaf- und Brutplätze Hessens für den Schwarzmilan, der sich von Mitte März bis Ende August am Inselrhein aufhält. Große Wasserflächen, wie sie am Schiersteiner Hafen und im Schiersteiner Teichgebiet zu finden sind, verstärken die Schall- und Lichtemissionen eines Feuerwerks erheblich. Dadurch dringen die Störungen tief in die sensiblen Kernzonen der Schutzgebiete vor.

Innovative Alternativen: Umweltfreundliche Shows statt traditioneller Feuerwerke

Die HGON sieht in der Entscheidung der Naturschutzbehörde ein längst überfälliges und zukunftsweisendes Signal. Es zeigt, dass Traditionen im Einklang mit dem Naturschutz weiterentwickelt werden können. Denn herkömmliche Feuerwerke erzeugen nicht nur grelles Licht und Lärm, die Wildtiere stören, sondern belasten auch die Umwelt und die menschliche Gesundheit in erheblichem Maße. Dies geschieht primär durch die chemische Kontamination von Luft, Wasser und Boden mit zahlreichen bei Feuerwerken freigesetzten Schadstoffen wie Feinstaub, Perchloraten und Schwermetallen.
Seit vielen Jahren empfehlen Wissenschaftler*innen daher moderne, umweltfreundliche Alternativen zu traditionellen Feuerwerken mit Raketen und Böllern. Eindrucksvolle Drohnenlichtshows oder stimmungsvolle Lasershows bieten ein ebenso spektakuläres Erlebnis – und das ganz ohne Lärm, gefährlichen Feinstaub und schwerwiegende Auswirkungen auf die Tierwelt, die Umwelt und die menschliche Gesundheit.

„Diese Entscheidung ist ein klares Bekenntnis zum Schutz unserer heimischen Vogelwelt und ein starkes Signal für eine zukunftsorientierte Festkultur“, so Dr. Nils Stanik, Vorsitzender der HGON. „Es zeigt, dass wir Traditionen an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und einen erhöhten Naturschutzanspruch anpassen können. Wir appellieren an alle Kommunen in Hessen, diesem Beispiel zu folgen und auf nachhaltige, geräuscharme Alternativen zu lauten Feuerwerken umzusteigen."