Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Entdecken Evolution live: Gelbbrauen-Laubsänger in Hessen

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Evolution live: Gelbbrauen-Laubsänger in Hessen

Irrgast oder Etablierung neuer Winterquartiere? In den vergangenen Tagen erfolgten gleich mehrere Beobachtungen des Laubsängers in Hessen.

Im Rahmen der wissenschaftlichen Vogelberingung wurde am 30.09. von Cedric Kleinert und Joshua Mader ein besonders seltener Gast in Sichtweite der HGON-Geschäftsstelle dokumentiert: ein Gelbbrauen-Laubsänger!

Dieser hübsch gezeichnete Verwandte von Zilpzalp und Fitis brütet in der Taigazone von Jakutien und Ussuriland nach Westen bis zum Ural und überwintert als Langstreckenzieher in den Subtropen und Tropen Südostasiens. Vor rund 30 Jahren noch sehr selten, werden Gelbbrauen-Laubsänger in Deutschland inzwischen alljährlich mit mehr als hundert Vögeln beobachtet. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es sich bei diesen Gelbbrauen-Laubsängern nicht um verirrte Tiere handelt, sondern dass wir hier Zeugen der Erkundung und Etablierung neuer Winterquartiere in Südwesteuropa und Nordafrika werden. Der nahe verwandte Grünlaubsänger, über dessen landesweite Erstbeobachtung in Korbach wir im Juni 2019 berichtet hatten, war aus einem anderen Grund nach Hessen geflogen. Diese Art brütet und überwintert zwar in ähnlichen Gebieten wie der Gelbbrauen-Laubsänger, doch breitet sie ihr Brutgebiet seit dem 19. Jahrhundert nach Westen aus. Mittlerweile brüten wenige Paare sogar im nördlichen und östlichen Deutschland. Der Korbacher Grünlaubsänger war also ebenfalls kein "Irrgast", sondern im Rahmen der Ausbreitung auf der Suche nach neuen Brutgebieten. Auch diese Beobachtung war somit kein "Zufall", sondern ermöglicht ebenfalls einen Blick auf einen Evolutions-Prozesse in der Gruppe der Laubsänger.

Am Freitag den 02.10. erfolgte am Unteren Knappensee (GI) eine weitere Sichtung eines Gelbbrauen-Laubsängers durch E. Richter, gefolgt von einer Beobachtung in Kirchlotheim (KB) am 04.10. durch W. Komischke. In Hessen gab es bisher erst 7 Nachweise vom Gelbbrauen-Laubsänger. Der Erstnachweis erfolgte 2006, seit 2014  konnten alljährlich - mit Ausnahme 2015 - Beobachtungen der Art dokumentiert werden. Bundesweit sind es laut www.ornitho.de in diesem Herbst bisher 244 Beobachtungen, davon aber (einschließlich der 3 in Hessen) nur 9 im tieferen Binnenland. Es lohnt sich also, Augen und Ohren aufzuhalten.
Ergänzungen Stand 09.10.: Am 07.10. konnte ein zweiter Vogel an der Eder in Kirchlotheim von W. Komischke beobachtet werden und auch am Oberen Knappensee wurde von A. Zedler ein weiteres Tier beobachtet. Somit erhöht sich die Anzahl der diesjährigen Beobachtungen auf fünf.

Kleiner Tipp: Der Ruf des Gelbbrauen-Laubsängers besteht aus ein- bis zweisilbigen, geschwungenen Pfiffen („tsuii“ oder „tsuiist“) und kann beispielsweise unter Xeno-Canto angehört werden.