Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

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Kommunalwahl 2021 - Mehr Natur für Hessen!

Die Kommunalwahlen stehen an und der AK Gießen hat dazu ein kleines Interview mit Alexander Wright (Die Grünen) geführt.

Am 14. März 2021 ist Kommunalwahl in Hessen. Eine Chance, in ganz Hessen etwas für die Natur vor der eigenen Haustüre zu erreichen. Denn schon mit einfachen Maßnahmen können Kommunen viel für den Naturschutz vor Ort bewirken und sich so für den Erhalt der Biologischen Vielfalt und lebenswerte Kommunen einzusetzen. Fragen auch Sie bei Ihren Kandidat*innen nach!
Unser Arbeitskreis Gießen hat sich ein paar relevante Themen für das Stadtgebiet rausgepickt und einen der Kandidat*innen dazu befragt – klasse!
Hier findet ihr ein paar Videoausschnitte aus dem unten folgenden Interview von Rosina Weber (AK Gießen) mit Alexander Wright (Bündnis 90 / Die Grünen Listenplatz 2), Video von Inga Hundertmark (AK Gießen).

 

Interview Rosina Weber (HGON-AK Gießen) und Alexander Wright (Die Grünen)

Alexander Wright kandidiert für die Gießener Grünen auf Platz 2 für die Stadtverordnetenversammlung. Wir sind in der Wieseckaue zu einem covid-konformem Interviewspaziergang verabredet. Ich möchte ihm Fragen zum Thema Natur- und Artenschutz in der Stadt stellen, die mich als HGON-Mitglied interessieren. Alex Wright kommt mit dem Mountainbike angebraust und stellt zuerst betreten fest, dass er dabei ein bisschen schlammig geworden ist. Dann lacht er das einfach weg und beschließt, dass er nur von vorne fotografiert werden will. Wir laufen an der Wieseck entlang in Richtung Flugplatz Rödgen.

Herr Wright, ich frage zum Einstieg mal ganz allgemein: Wie stehen Klimaschutz und Naturschutz im Verhältnis?

Ich finde Klimaschutz ist Naturschutz. Oft wird das so gegeneinandergestellt, aber eigentlich gehört das zusammen. Wenn die Temperaturen weiter ansteigen, hat das auch ganz starke Auswirkungen auf die Natur. Wo das immer wieder ein Konfliktthema ist, ist ja die Windkraft. Aber wenn man ein Kohlekraftwerk als Vergleich nimmt, dann ist der Schaden, den Windräder zur Produktion der gleichen Menge Energie hervorrufen, immer noch geringer. Natürlich muss man Einzelfälle abwägen, wenn zum Beispiel ein seltener Vogel in der Nähe ist.

Wir wollten uns über Lebensraum für Tiere und Pflanzen in der Stadt unterhalten. Was fällt Ihnen als erstes dazu ein?

Wir wollen nicht umsonst die kompakte Stadt, weil wir der Überzeugung sind, im städtischen Bereich sollen auch Tiere leben und es soll Vielfalt geben, aber nichts ist besser als die grüne Wiese und der Wald und wenn der weg ist, ist das immer ein Schaden an der Natur. Wenn wir sagen „kompakte Stadt“ gibt es ja auch immer Menschen, die da Schreckensszenarien vor Augen haben, aber wir wollen die Grünflächen die es gibt erhalten und die Qualität erhöhen, damit die Menschen genau dorthin gehen und nicht in die Naturschutzgebiete pilgern und da ihr Picknick machen, drastisch formuliert.

Es gibt auch Stimmen, die wollen, dass die Lahnaue am Bahnhof mit mehr Freizeitanlagen ausgestattet wird, für das neue Wohngebiet dort. Und da sagen wir nein, das ist teilweise Vogelschutzgebiet und der umzäunte Bereich dort ist extra für die Fledermäuse gemacht worden. Wir werden dieses Gebiet garantiert nicht zur Freizeitnutzung ausbauen, nur damit dort noch mehr Leute hingehen. Dann lieber die Bereiche weiter oben, wo sowieso viele Leute sind, attraktiv gestalten.

Sagen Sie doch mal was zu Hunden ohne Leine.

Persönlich liebe ich Hunde. Wir hatten früher als Familie auch einen Hund und ich bin damit aufgewachsen. Aber ich seh das hier in der Stadt schon kritisch. Da gibt es so viele Hunde und dann werden die teilweise auch noch einfach von der Leine gelassen und gehen in die Felder und scheuchen dort brütende Vögel auf.

Und ganz konkret, was macht man da?

Einerseits gibt’s eine Leinenpflicht, eigentlich müsste das dann auch konsequent kontrolliert werden. Die andere Möglichkeit ist umzäunen, wie hier drüben (deutet in die Aue). Und andererseits diesen Hundebesitzern dann auch Flächen bieten, wo sie den Hund mal loslassen können, wie zum Bespiel die Hundewiese. Die ist natürlich relativ klein, vielleicht müsste es da woanders noch was geben. Da haben wir aber keine konkreten Pläne, das ist jetzt einfach ein spontaner Gedanke.

Jetzt haben wir uns mit unserem Gespräch fast schon in die Agrarlandschaft bewegt. Was kann man denn für Artenvielfalt in der Agrarlandschaft überhaupt machen, auf kommunaler Ebene?

Also, die Vielfalt in der Agrarlandschaft fördern im monetären Sinne geht eher schlecht, das macht ja das Land. Aber wir haben eigene Flächen und wenn wir die verpachten, kann man auch Vorschriften machen. Wir haben ja schon reingebracht, dass keine Gentechnik auf diesen Felder erlaubt ist. Da könnte man auch sagen ok, wir wollen, dass dort ab jetzt Ökolandbau gemacht wird.

Und dann gibt es den Stichpunkt Wirtschaftsförderung, denn so ein Hof ist ja auch ein Wirtschaftsbetrieb. Da kann man mal die Erfolgsgeschichten hochhalten, denn viele Leute wissen gar nicht, was es hier so gibt. Es gibt zum Beispiel einen Bauern in Allendorf, der Bioeier anbietet und dessen Hühner mit einem Hühnermobil um Allendorf wandern und draußen sind und glücklich. Dann gibt es Direktvermarkter und Bioprodukte auf dem Wochenmarkt. Das kann man auch gut bewerben.

Gehen wir mal zurück in die Stadt: Gießen hat ja in der Form keinen Baumschutz, der Bäume unter Bestandschutz stellt, sondern eher ein Unterstützungsangebot. Ist das sinnvoll und bleibt so?

Das bleibt auf jeden Fall so. Es gab berechtigte Befürchtungen mit der Baumschutzsatzung. Wir hatten ja schonmal eine und das hat erst mal dazu geführt, dass Leute panisch ihre Bäume abgesägt haben, bevor sie in Kraft getreten ist oder sie abgeholzt haben, kurz bevor sie die Größe erreicht haben, die geschützt war.

Ich hab schon manchmal den Eindruck, dass auch Bäume, für die die Stadt zuständig ist, lieber entfernt und nachgepflanzt werden, statt den alten Baum zu erhalten. Zum Beispiel die Baumreihe direkt am Freibad Ringallee. Das finden die Vogelfreund*innen in Gießen sehr schade, weil letztes Jahr im Winter seltene Seidenschwänze dort gerastet haben.

Da würde ich jetzt wirklich widersprechen wollen. Wir sind ja mittlerweile dazu übergegangen, dass wen so ein Baum fällt, eine Presseerklärung mit Grund abgegeben wird. Wir machen es uns da nicht leicht.  Und wenn man denjenigen kennt, der für die Bäume zuständig ist, weiß man, der leidet für jeden Baum, der abgeholzt werden muss.

Man kann im innerstädtischen Bereich auch richtig viel für die Artenvielfalt tun, indem man zum Beispiel Wegränder und Gräben nicht alle am Stück ratzekurz mäht – oder gar mulcht. Da wäre in Gießen noch viel Potenzial. Gibt es da Pläne?

Wir sind da konstant dran. Man sieht das auch gerade in den letzten Jahren, dass immer öfter was stehen gelassen wird. Aber gerade bei Spielplätzen und Hecken und so weiter kann auch noch mehr getan werden, das muss man auch mal so selbstkritisch sagen. Das liegt auch daran, dass im Gartenamt Personal fehlt. Die Leute dort sind sehr motiviert und bringen auch tolle eigene Ideen ein. Aber wenn man weniger kurz schneidet, muss man öfter schneiden und dann braucht man mehr Leute, die das tun.

Was sagen Sie denn zu Schottergärten?

Schottergärten sind nach § 8 der hessischen Bauordnung gar nicht erlaubt, weil Freiflächen – außer für Sondernutzung wie Parkplätzen – wasserdurchlässig sein müssen. Das sind Schottergärten normalerweise nicht und deswegen muss man die Bauordnung meiner Meinung nach konsequent durchsetzen.

Was ist mit schon bestehenden Schottergärten?

Die müssen weg, um es mal so direkt zu sagen (lacht). Man muss die Leute dazu motivieren. Das klappt dann durch Aufklärung und letztendlich kann man auch mit dem Bauordnungsamt rangehen, weil das eben gegen ein Gesetz ist. Wobei ich erst mal den Schritt der Aufklärung wählen würde. Ich find die auch einfach echt hässlich, ich hab noch keinen schönen Steingarten gesehen.

Wie gefällt Ihnen denn der Rathausplatz?

(Lacht.) Das ist zwiegespalten! Ich finde ihn einerseits echt hässlich, aber auf der anderen Seite echt praktisch. Das ist der einzige große Platz, auf dem man Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen machen kann und dafür war er ja auch gedacht. Da denkt man schon, hier könnte es ein bisschen grüner sein. Auf der anderen Seite ist das auch ein toller belebter Platz, wenn dort viele Leute sind.

Ein Thema, das sich andere HGON-Mitglieder gewünscht haben, sind Nistplätze von Gebäudebrütern. Da geht bei Neubauten oder Sanierungen ganz viel verloren und oft weiß man es gar nicht, gerade bei Sanierungen im Privatbereich. Die machen Nester weg oder Löcher zu und denken sich nichts Böses. Müsste man da mehr drauf achten oder vielleicht Pläne machen, dass standardmäßig Nistplätze eingerichtet werden, wenn man ein Haus saniert oder neu baut?

Das ist eine gute Frage. Dass wir mehr Nistplätze schaffen wollen, wenn jemand ein neues Haus baut, war bisher nicht im Gespräch. Dass wir generell mehr Nistplätze haben wollen aber schon, zum Beispiel in den Schrebergärten oder im Stadtpark, da werden ja auch Kästen aufgehängt.

Es gibt nun aber Arten die sich über solche Nistkästen freuen, es gibt aber auch zum Beispiel Mauersegler, die früher an Gebäuden Nischen und Ritzen gefunden haben die ein modernes oder energetisch saniertes Gebäude nicht mehr hat. Und die brauchen eigentlich eher Unterstützung als die Blaumeisen im Stadtpark.

Dazu kann ich vielleicht ganz allgemein sagen, dass das Thema Natur in der Stadt bei uns immer wieder großgeschrieben wird und wir uns dafür einsetzen wollen. Im Privatbereich kann man da vielleicht nicht so viel machen. Aber wenn das ein Großinvestor ist, kann man sowas durch städtebauliche Verträge durchaus voranbringen. Das Thema hat noch Ausbaupotenzial, aber dass wir Nistplätze ausbauen wollen, haben wir schon klar gemacht und da gehören dann natürlich auch alle dazu, nicht nur die Meisen.

Diesen Sommer ist viel über die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum diskutiert worden.  Gerade während der Pandemie wollten die Leute sich draußen treffen und in vielen Städten geht das nur, wenn man in einem Café sitzt. Was würden Sie sagen, wo ist Gießen da?

So auf dem Mittelweg. Auf dem Berliner Platz sind ja auch Bänke und auf dem Kirchplatz ist richtig viel Betrieb, wenn samstags Markt ist, obwohl das vorher viel kritisiert wurde, als dieser Schotterplatz wegkam. Dann die Löwengasse, da ist im Sommer auch richtig was los. Wir wollen, dass es mehr Plätze zum Verweilen gibt, aber das steht in direkter Konkurrenz zum PKW-Verkehr, weil der einfach sehr viel Platz einnimmt, auch mit Parkplätzen. Wir wollen eine autofreie Innenstadt und dafür den Radverkehr und Nahverkehr fördern. Wir glauben, dass das dem Einzelhandel auch guttut und wollen richtig Geld in die Hand nehmen um das umzugestalten. Weil einfach zu sagen, wir machen hier mal zu und autofrei, funktioniert nicht. Man muss das Gesamtbild sehen und dann muss man das auch schön gestalten. Und dann wird man mehr Leute in der Stadt haben, davon bin ich überzeugt.

Beitrag: Rosina Weber (AK Gießen)