Mönchs- und Gänsegeier über Hessen
Heute kreisten erneut Gänsegeier über Hessen, bei Kelkheim flogen 11 der riesigen Vögeln nach Südwesten und dann Richtung Odenwald. nicht schon eindrucksvoll genug, hatte sich den Vögeln sogar ein Mönchsgeier angeschlossen!
Gut ein Jahr ist es her, dass wir von einer unvergesslichen Beobachtung für VogelkundlerInnen im Lahn-Dill-Kreis berichteten: Über Braunfels war ein Trupp von etwa 20 Gänsegeiern unterwegs. Heute kreisten erneut Gänsegeier über Hessen, bei Kelkheim flogen 11 der riesigen Vögeln nach Südwesten und dann Richtung Odenwald. Ist eine solche Beobachtung schon eindrucksvoll genug, hatte sich den Vögeln sogar ein Mönchsgeier angeschlossen! Gänsegeier mit einer Spannweite von bis zu 2,65 m sind in Hessen und Deutschland ein zwar sehr seltener, aber seit 2006 fast alljährlicher Anblick. Bei dem Mönchsgeier, der mit einer Spannweite von 2,85 m sogar noch größer als der Gänsegeier ist, handelte es sich hingegen erst um die dritte Beobachtung in unserem Bundesland.
Noch im Mittelalter besuchten die in Südeuropa heimischen Gänsegeier aufgrund der seinerzeit für die Aasfresser hier günstigen Nahrungsbedingungen im Sommerhalbjahr regelmäßig die Bereiche nördlich der Alpen. Nachdem sie sich aufgrund der abnehmenden Bestände und rückläufigen Nahrungsgrundlage in den letzten beiden Jahrhunderten nur ganz ausnahmsweise weiter nach Norden verflogen, begann vor etwa 15 Jahren erneut eine Phase regelmäßiger Einflüge in unseren Breiten. Auslöser war zunächst eine EU-Hygienerichtlinie im Jahr 2002 infolge der BSE-Krise, die in Spanien zu Nahrungsmangel unter den dort seinerzeit 18.000 Geierpaaren führte. Tote Nutztiere durften nicht mehr, wie traditionell üblich, auf den Muladares genannten Schindangern von den Geiern entsorgt werden. In der Folge wanderten zahlreiche Geier auf Nahrungsuche weit in Mitteleuropa umher. Zwar wurden ausgewählte Muladares bald wieder betrieben, die sommerliche Nordwanderung einiger Geiergruppen hat sich seither aber gehalten.
Der seinerzeit erste Gänsegeier wurde am 29.5.2006 westlich von Darmstadt erschöpft und stark abgemagert gefunden. Der auf den Namen "Fulvio" getaufte Vogel war einer der ersten der in Deutschland eingeflogenen Gänsegeier. Aufgepäppelt und gestärkt wurde er am 14.7.2006 auf dem Truppenübungsplatz Baumholder in Rheinland-Pfalz freigelassen. Der am Vogel angebrachte Sender zeigte, dass der Geier in einem Tag bis nach Paris zog und in nur zehn Tagen zurück in den Pyrenäen war. Seit dem Jahr 2013 wurden dann in jedem Jahr Gänsegeier an inzwischen gut 30 Orten in unserem Bundesland beobachtet. Am 20.8.2018 konnte im Wetteraukreis erstmals in Hessen ein Mönchsgeier nachgewiesen werden, der sicherlich nicht aus einer Haltung entflogen war. Möglicherweise stammte er aus einem Wiederansiedlungsprojekt (wie in den südfranzösischen Cevennen), aber auch ein Wildvogel ist denkbar. Dies gilt aufgrund seiner Vergesellschaftung mit den Gänsegeiern auch für den heute über dem Main-Taunus-Kreis beobachteten Mönchsgeier. Die heutige Geiergruppe ist möglicherweise mit einem Trupp von etwa 10 Gänsegeiern identisch, der am 15. Juni im Landkreis Calw und am Tag darauf bei Heidelberg, jeweils in Baden-Württemberg, gesichtet wurde und aufgrund der aktuell südeuropäisch heißen Temperaturen und idealen Thermikverhältnisse in unsere Breiten vorgestoßen ist.
Beobachtungen von Geiern sollten aufgrund der im Einzelfall möglichen Verwechslungsgefahr mit anderen Greifvögeln oder aus Gehegehaltungen entflogenen Geierarten möglichst fotografisch dokumentiert werden, was heute der Vogelbeobachterin Kathrin Montag mit sehr guten Belegaufnahmen gelang. Und die Bilder sind mehr als ein Beleg: so können sich auch andere Interessierte an den eindrucksvollen Vögeln freuen und die Aufregung bei der Entdeckung der gewaltigen Tiere nachfühlen!