Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

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Die Ausweisung von Schutzgebieten alleine garantiert keine Zunahme der Biodiversität

Neue Studie aus der Fachzeitschrift Nature

Eine Studie eines internationalen Forschungsteams rund um Hannah S. Wauchope untersuchte wie sich die Ausweisung von Schutzgebieten auf die Entwicklung von Wasservogelpopulationen weltweit ausgewirkt hat. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Nature unter dem Titel „Protected areas have a mixed impact on waterbirds, but management helps“ veröffentlicht.

Hintergrund der Forschung

Nahezu 16% der Land- und 7% der Meeresfläche sind aktuell als Schutzgebiete ausgewiesen. Im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (kurz auch Biodiversitätskonvention) gibt es Forderungen, dass bis 2030 ein flächenbezogenes Ziel von 30% für Schutzgebiete („30-%-Flächenschutzziel“) erfüllt wird.

Obwohl frühere Studien zeigen, dass Schutzgebiete den Verlust von Lebensräumen verhindern, fehlt es laut der Autor*innen der Nature-Studie an Beweisen, dass Schutzgebiete sich auch positiv auf Populationsentwicklungen von Vogelarten auswirken. Insbesondere, da vorhandene Studien meist nur auf lokaler Ebene agieren oder zu einfache Versuchsdesigns, denen es an geeigneten Kontrollen mangelt, verwenden. Doch gerade hinsichtlich der Auswahl geeigneter Schutzgebiete des 30-%-Flächenschutzziels sollte es Ziel sein, dass sich die gewählten Schutzgebiete tatsächlich positiv auf die zu schützenden Vogelpopulationen auswirken. Um die Auswirkung der Schutzgebiete auf Wasservogelpopulationen zu ermitteln, verwendete das Forschungsteam eine Kombination aus zwei Methoden: Vorher-Nachher-Vergleiche kombiniert mit Kontroll-Interventions-Studien (in Englisch: before–after control–intervention).

Forschung wäre nicht möglich ohne Daten von ehrenamtlichen Erfasser*innen

Wichtig für die angewandte Methode ist eine umfangreiche Datenerhebung. Laut Autor*innen wurde einer der größten globalen Datensätze von Vogelpopulationszählungen für die Studie verwendet. Die Wasservogel-Zählungen stammten von Citizen-Science Projekten, Monitoring-Programmen von Naturschutzvereinen (NGOs) und staatlich geleiteten Monitoring-programmen aus 68 Ländern. Insgesamt wurden 1.506 Schutzgebiete und 27.055 Wasservogelpopulationen betrachtet. Hier sind unter anderem die Ergebnisse der Wasservogelzählungen aus Deutschland eingeflossen. Die Wasservogelzählung ist das älteste und umfangreichste Monitoring-Programm für Vögel in Deutschland. Aktuell beteiligen sich mehr als 2.000 (überwiegend ehrenamtliche) Mitarbeiter*innen an den Wasservogel-Erfassungen.

In der Nature-Studie war "Population" definiert als eine bestimmte Wasservogelart an einem bestimmten Standort. Die Entwicklung der entsprechenden Populationen wurde in Schutzgebieten (vor und nach der Ausweisung) und nicht geschützten Gebieten verglichen. Für die Auswertung wurden die betrachteten Populationen in drei Gruppen unterteilt: positive, negative oder keine Auswirkungen des Schutzes.

Positive Auswirkungen vor allem in großräumigen Schutzgebieten für Wasservögel

Die Autor*innen stellten eine gemischte Auswirkung von Schutzgebieten auf Wasservogelpopulationen fest. Die Analyse ergab, dass 27% aller Populationen positiv und 21% negativ beeinflusst wurden. Für 48% aller Wasservogelpopulationen konnte keine Auswirkung des Schutzes festgestellt werden. Hier muss angemerkt jedoch angemerkt werden, dass etwa die Hälfte der negativen Reaktionen (14% aller Populationen) in Gebieten auftrat, die nicht speziell für Wasservögel ausgelegt waren. Außerdem betrachtete die Studie die Auswirkungen von Schutzgebieten ausschließlich im Zusammenhang damit, wie Schutzgebiete den Fortbestand von Populationen unterstützen. Man sollte jedoch auch den potenziellen Nutzen der Schutzgebiete hinsichtlich des Schutzes und Erhalts der Lebensräume, in denen die Vogelarten vorkommen, nicht vergessen. Die Untersuchung zeigte keine signifikanten Unterschiede in den Auswirkungen auf die Populationstrends von seltenen im Vergleich zu häufigen Arten sowie im Vergleich von regional bedrohten und nicht bedrohten Arten.

Positiv korreliert mit dem Erfolg der Schutzgebiete waren eine „Management-Variable“ und die Größe des Schutzgebietes. Die „Management-Variable“ unterteilte die Gebiete in folgende Kategorien: „Wasservogel-Management“ (Ramsar- oder Vogelschutzgebiete nach der Vogelschutzrichtlinie) oder „gemischtes Management“ (Gebiete, die entweder nicht für Wasservögel oder deren Lebensraum ausgewiesen waren oder Gebiete mit unbekanntem Managementstatus). Der positive Einfluss auf Wasservogelpopulationen war höher in Gebieten mit „Wasservogel-Management“ und größeren Gebieten. Keine anderen standort- oder artenbezogenen Merkmale wiesen einen durchweg positiven oder negativen Zusammenhang mit dem Erfolg der Gebiete auf.

Wie sollten Schutzgebiete gestaltet werden, um den Verlust der Biodiversität zu stoppen?

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass für den Erhalt der Wasservogelpopulationen die Bewirtschaftung bzw. das Management der Flächen entscheidend ist. Dies unterstreicht die Notwendigkeit eines effektiven Managements um negative Ergebnisse zu vermeiden und legt nahe, dass sich die Politik auf die Festlegung und Einhaltung sinnvoller Bewirtschaftungsziele konzentrieren sollte. Der positive, wenn auch schwach positive, Zusammenhang zwischen Schutzgebietsgröße und Wirkung trägt zu der Debatte bei, ob entweder ein großes oder mehrere kleine Schutzgebiete besser sind? Frühere Studien haben ergeben, dass mehrere kleinere Schutzgebiete in der Regel einen größeren Artenreichtum aufweisen als einige wenige große Gebiete, aber dass größere Gebiete für den Fortbestand größerer Arten entscheidend sind. Die Ergebnisse der vorgestellten Studie zeigen eine gewisse Bedeutung größerer Schutzgebiete für erfolgreiche Populationsentwicklungen von Wasservögeln. Daher ist es laut Autoren besorgniserregend, dass viele Schutzgebiete in der Welt klein sind und viele derzeit verkleinert werden.

Yvonne Schumm