Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Entdecken Eindrucksvolles Vogelzug-Wochenende!

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Eindrucksvolles Vogelzug-Wochenende!

Während vier Exkursionen hatten zahlreiche Teilnehmende die Gelegenheit, den Vogelzug gemeinsam und hautnah zu erleben. Seit Anfang der Woche wurden täglich Kraniche über Hessen auf dem Weg in ihr Winterquartier gemeldet.

Auch am Freitag, 17.10. war die erste Gruppe von 50 Vögeln im NSG Mittlere Horloffaue schon kurz vor Exkursionsbeginn zu sehen und bis in die Dämmerung zogen immer wieder Schwärme von 50-200 Kranichen mal näher, mal weiter entfernt durch. Mehrfach trafen Kranichschwärme ein, die das Gebiet offenbar schon in den Vorjahren als günstigen Rast- und Schlafplatz kennengelernt hatten. Diese Kraniche gehen schon in einigen hundert Metern Entfernung in den Sinkflug über und fallen sofort in den Wiesen zur Rast ein. Eine Gruppe von etwa 60 Vögeln landete direkt im Flachwasser, die meisten Vögel steckten nach wenigen Minuten den Schnabel in das Rückengefieder und begannen zu schlafen. Offenbar waren diese Kraniche sehr erschöpft von der Reise, weshalb es sich vermutlich um eine Gruppe mit wesentlich längerem Flugweg als der der anderen, wohl in Linum bei Berlin gestarteten Trupps handelte. Kurz darauf zogen 35 Kormoran durch und plötzlich fiel eine Gruppe Enten, sehr hoch aus Nordost kommend, direkt am Unteren Knappensee ein: 43 Pfeifenten und 3 Spießenten! Die Enten waren, angesichts der wesentlich höheren Fluggeschwindigkeit als bei den Kranichen, möglicherweise im südlichen Ostseeraum gestartet und nutzen das Naturschutzgebiet nun zum Auftanken der Energiereserven. Das gilt auch für einige Alpenstrandläufer, Kampfläufer und Kiebitze, die auf den Schlammbänken Nahrung suchten.

Am Samstagmorgen wurden in nur gut 3 Stunden bei Kassel mehr als 8.000 Ringeltauben, gut 500 Blaumeisen, sowie neben den derzeit regelmäßig ziehenden Vögeln als seltene Arten 19 Goldregenpfeifer, eine Grauammer und sogar ein Rotkehlpieper gezählt. Später kamen noch abziehende Beutelmeisen und sogar eine rastende Bartmeise hinzu. Blaumeisen ziehen schon seit einigen Wochen in größerer Zahl durch, aber diese Zahl ist eine der höchsten, die in Hessen bislang erfasst wurden. Offensichtlich wandern in diesem Herbst daher deutlich mehr Blaumeisen aus Nordosteuropa ab als üblich. Die Ursache für solche Evasionen ist meist eine Kombination von gutem Bruterfolg und aktuellem Nahrungsmangel.

Das infolge des Wetterwechsels sehr starke Zuggeschehen hielt dann den ganzen Samstat über an. So waren überall in Hessen durchziehende Kranichtrupps zu sehen, wobei es sich in Nordhessen vermutlich vor allem um Vögel von der Ostseeküste, in Mittelhessen um Kraniche von den Rastplätzen in Kelbra (Thüringen) und vor allem in Linum bei Berlin gehandelt hat. Insgesamt wurden gut 550 Beobachtungen von (einschließlich Mehrfachsichtungen derselben Trupps) gut 80.000 Kranichen gemeldet. Über Nordrhein-Westfalen zogen auch sehr viele Kraniche, die zuvor in der Diepholzer Moorniederung gerastet hatten. Insgesamt also ein bundesweit außerordentlich starker Kranichzugtag, wobei alle diese Vögel als nächsten Rastplatz den Lac du Der in der französischen Champagne ansteuern. Auch Ringeltaubenschwärme, Kormorane, Rotmilane (maximal 80 in einer Gruppe gemeinsam bei Wölfersheim) und seltenere Arten wie Kornweihe zogen bis in die Abendstunden.

Selbst in der Nacht auf Sonntag ebbte der Zug nicht ab: Vielfach waren noch rufende Kranichtrupps in der Dunkelheit zu hören und wer den Rufen der Zugvögel zuhörte oder mit einer Wärmebildkamera in den Nachthimmel schaute, erlebte eine außerordentlich starke Zugnacht. Zwar fliegen die meisten nachtziehenden Vögel allein und, um Kollisionen zu vermeiden, nicht in Schwärmen, doch waren über Stunden hinweg überall am Himmel Rufe zu hören oder Wärmesignale auszumachen. Eine Hochrechnung des bei Bad Nauheim durchschnittlich etwa 20 Vögel pro Minute auf einer Breite von 100 m umfassenden Zuges führt in dieser einen Nacht zu einem Wert von mehreren zehntausend Zugvögeln allein auf einer Breite von einem Kilometer. Die Rufe lassen vor allem auf zahlreiche Sing- und Rotdrosseln, aber auch Amseln, Hausrotschwänze und Rotkehlchen schließen. In ganz Hessen sind in dieser Nacht daher vermutlich hunderttausende, vielleicht Millionen Zugvögel unterwegs gewesen.

Und auch Sonntagvormittag zogen weiterhin große Ringeltaubenschwärme, immer wieder Kiebitze, Kormorane und einige Kraniche. Unter den Singvögeln dominierten nach wie vor Buchfinken, aber auch  Stare zogen nun in größerer Zahl. Während Wiesenpieper schon deutlich seltener als in den letzten Wochen unterwegs waren, das Zuggeschehen dieser Art seinen Höhepunkt also schon überschritten hat, kamen nun verstärkt Feldlerchen, Bergfinken und Wacholderdrosseln hinzu. Dies konnten die Teilnehmenden von zwei Exkursionen bei Frankfurt und im Hochtaunuskreis in der ganzen Vielfalt selbst bestaunen. Das Zuggeschehen war dort vor allem von tausenden Ringeltauben und einigen ziehenden Kranichen geprägt. Aber auch andere Arten zeigten sich in deutlich größerer Zahl, darunter mehrere Kiebitz-Trupps und die - wie Kraniche - oft in Keilform fliegenden Kormorane. Zahlreiche Greifvögel, mit dem Rotmilan als dominierende Art, rundeten die Beobachtungen eindrucksvoll ab. Trupps ziehender Rotmilane gab es am Sonntag bei Neu-Anspach mit 30 Vögeln, bei Frankfurt waren es 63 Exemplare. Sperber, Mäusebussard und Kornweihe zogen dagegen in typischer Weise einzeln und zielgerichtet durch.

Landesweit wurden an diesem herausragenden Wochenende einschließlich zahlreicher Rastvögel die eindrucksvolle Zahl von gut 6.500 Beobachtungen und 147 Vogelarten in www.ornitho.de archiviert!