Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

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Bienenfresser als Indikatoren des Klimawandels

Der menschengemachte Klimawandel hat bereits seit längerer Zeit massive Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen (Parmesan & Yohe 2003). Dabei ist längst klar, dass sich die Auswirkungen in nächster Zukunft noch deutlich verstärken werden. Vogelarten, die mit klimatischen Änderungen konfrontiert werden, können darauf unterschiedlich reagieren, wobei sich die Reaktionen nicht immer gegenseitig ausschließen:

1.) durch Anpassung

2.) durch eine Veränderung des Verbreitungsgebietes

oder

3.) durch Aussterben, was letztlich aber ein extremer Sonderfall von Punkt 2 ist.

Der zweite Fall ist dabei sicherlich der häufigere, zumindest aber derjenige, der leichter zu beobachten ist. Generell wird angenommen, dass mit zunehmender Erwärmung der Erde sich die Verbreitungsgebiete polwärts verschieben werden. Bei besonders mobilen Arten wie vielen gut flugfähigen Vögeln sollte dies sogar besonders auffällig sein. Bienenfresser sind in Europa eine mediterrane Art, die die Nordgrenze ihrer Brutverbreitung in den letzten Jahrzehnten deutlich nach Norden verschoben hat. Gerade in Deutschland hat es einen deutlichen Bestandsanstieg gegeben, der mit der Gründung vieler neuer Kolonien einhergegangen ist. Als Ursache dafür wird in Experteneinschätzungen zwar oft der Klimawandel genannt (Fiedler 2016), aber ganz genaue Quantifizierungen dieser Hypothese mit modernen Methoden fehlten bisher. Dabei ist die Datengrundlage bei dieser charismatischen Vogelart besonders gut. Wir haben deshalb eine Studie durchgeführt, die die Rolle des Bienenfressers als Klimawandelindikator genauer beleuchtet (Stiels et. al. 2021).

Artverbreitungsmodelle als Methode der Wahl

Um die „Klimanische“ des Bienenfressers zur Brutzeit in Europa möglichst gut zu erfassen, haben wir sogenannte korrelative Artverbreitungsmodelle verwendet (Elith et al. 2006, Guisan & Thuiller 2005, Engler et al. 2017). Ein Algorithmus setzt dabei das Vorkommen des Bienenfressers in Zusammenhang mit den klimatischen Bedingungen vor Ort. Das daraus abgeleitete Modell lässt sich dann als potentielle Verbreitung auf einer Karte darstellen, mit geeigneten Klimadaten geht das auch für die Zukunft. Die Karten zeigen also die Klimaeignung eines Gebietes für den Bienenfresser an– ob er dort tatsächlich vorkommt, hängt natürlich immer noch von anderen Faktoren ab (kleinräumiger Lebensraum etc.). Gerade in Ausbreitung befindliche Arten sind besonders schwierig zu modellieren (Elith et al. 2010). Aus diesem Grund haben wir auch nicht nur einen Algorithmus verwendet, sondern gleich acht. Für die Zukunftsaussichten haben wir uns zusätzlich zwei verschiedene Klimamodelle angeschaut und zwei verschiedene Prognosen für Treibhausgasemissionen (insgesamt also 32 unterschiedliche Modelle). Legt man Karten verschiedener Algorithmen übereinander, sieht man, wo besonders viele Modelle ein mögliches Vorkommen des Bienenfressers vorhersagen.

Um herauszufinden, ob die Ausbreitung der Art in Deutschland aber tatsächlich mit dem Klima in Verbindung steht, haben wir außerdem die Bestandszahlen in verschiedenen europäischen Ländern und die Klimaeignung in Europa gegeneinander aufgetragen – umso besser die Klimaeignung, umso mehr Brutpaare sind (pro Fläche) zu erwarten. Wenn Deutschland deutlich mehr oder weniger Paare hat als aufgrund des Klimas zu erwarten wäre, würden andere Faktoren als das Klima eine entscheidendere Rolle spielen.

Bienenfresser als Klimaindikator

Unsere Ergebnisse bestätigen deutlich eine enge Beziehung zwischen Klima und Verbreitung des Bienenfressers. Die meisten Modelle zeigen, dass der Brutbestand in Deutschland ungefähr so groß ist, wie aufgrund des Klimas hier zu erwarten ist.

Auch die modellierten Karten stimmen recht gut mit der tatsächlichen Verbreitung überein, auch wenn es zwischen den verschiedenen Modellen einige Unterschiede gibt. Unsere Karten zeigen aber auch Gebiete an, in denen Bienenfresser aktuell vorkommen, die aber nicht von allen Modellen erkannt werden. Dies gilt auch für einzelne Teile Mitteleuropas – hier ist die Ausbreitung mittlerweile vermutlich so dynamisch, dass unsere gemittelten Klimadaten möglicherweise nicht mehr ganz mitkommen. Andererseits sind auch einige Gebiete, die in vielen Modellen geeignet erscheinen (z.B. im Ostseeraum), noch nicht dauerhaft vom Bienenfresser besiedelt. Allerdings gibt es auch hier mittlerweile erste Bruten. Am Ende sind die Ergebnisse aber für uns eindeutig: Der Bienenfresser ist ein Botschafter der Klimakrise.

Und wie sieht die Zukunft des Bienenfressers aus?

Wenn die weitere Ausbreitung des Bienenfressers wie bisher auch vom Klima bestimmt wird, werden die bunten Vögel ihre Verbreitung bis zum Jahr 2050 deutlich weiter nach Norden ausdehnen (Abbildung 1). Weite Teile Mitteleuropas bis nach Südskandinavien werden für die Art klimatisch geeignet sein. Interessanterweise wird sich nach unseren bisherigen Prognosen die Südgrenze der Verbreitung nicht unbedingt verschieben. Wichtig ist aber auch zu betonen, dass unter einem Worst-Case-Szenario für die Treibhausgasemissionen die Modelle besonders stark voneinander abweichen und damit die Unsicherheit deutlich größer wird.

Abbildung 1:
Vorhersagen der Klimaeignung für den Bienenfresser für das Jahr 2050 basierend auf zwei unterschiedlichen globalen Zirkulationsmodellen (CCSM und MIROC) und zwei repräsentativen Konzentrationspfaden (RCP 4.5 geht von mittelhohen Treibhausgasemissionen aus, RCP 8.5 bedeutet quasi „business as usual“ mit sehr hohen Emissionen). Die Skala gibt die Zahl der Modelle an – je grüner, desto mehr Modelle sagen voraus, dass Bienenfresser geeignete klimatische Bedingungen vorfinden.

Ein deutschsprachiger Artikel über die historische Ausbreitung des Bienenfressers in Deutschland (Dellwisch et al., im Druck) mit detaillierten Karten der potentiellen Verbreitung in Deutschland wird demnächst in der Zeitschrift „Vogelwarte“ erscheinen.

Das Bienenfresserprojekt wird von den Fachgruppen „Bienenfresser“ und „Raumökologie und Biogeographie“ der DO-G unter Beteiligung der Universitäten Dresden, Ghent (Belgien) und Bonn sowie des Leibniz-Instituts für die Analyse des Biodiversitätswandels (Museum Koenig, Bonn) durchgeführt. Wir danken allen Aktiven, die sich am Schutz und Monitoring des Bienenfressers beteiligen.

Darius Stiels, Kathrin Schidelko, Hans-Valentin Bastian, Anita Bastian & Jan O. Engler

 

Literatur

Elith J, Graham CH, Anderson RP, Dudik M, Ferrier S, Guisan A, Hijmans RJ, Huettmann F, Leathwick JR, Li J, Lohmann LG, Loiselle BA, Manion G, Moritz C, Nakamura M, Nakazawa Y, Overton JMM, Peterson AT, Phillips SJ, Richardson K, Scachetti-Pereira R, Schapire RE, Soberón J, Williams S, Wisz MS, Zimmermann NE (2006) Novel methods improve prediction of species’ distributions form occurrence data. Ecography 29: 129–151.

Elith J, Kearney M, Phillips S (2010) The art of modelling range-shifting species. Methods Ecol Evol 1: 330–342.

Engler JO, Stiels D, Schidelko K, Strubbe D, Quillfeldt P, Brambilla M, (2017) Avian SDMs: current state, challenges, and opportunities. J Avian Biol 48: 1483–1504.

Fiedler W (2016) Chapter 8 - Bird ecology. In: Letcher TM: Climate change – Observed impacts on earth. Elsevier, Amsterdam, Boston, Heidelberg, London, New York, Oxford, Paris, San Diego, San Francisco, Singapore, Sydney, Tokyo.

Guisan A, Thuiller W (2005) Predicting species distribution: offering more than simple habitat models. Ecol Lett 8: 993–1009.

Parmesan C, Yohe G (2003) A globally coherent fingerprint of climate change impacts across natural systems. Nature 421 :37–42.

Stiels D, Bastian H-V, Bastian A, Schidelko K & Engler JO (2021) An iconic messenger of climate change? Predicting the range dynamics of the European Bee-eater (Merops apiaster). J. Orn. doi: 10.1007/s10336-021-01867-z. (https://link.springer.com/article/10.1007/s10336-021-01867-z)