Für euch gelesen: "Praxishandbuch Naturschutz: Forstwirtschaft im Einklang mit der Artenvielfalt"
Buchrezension
Idee und Ansatz zum Buch sind gut gewählt. Das Autorenkollektiv hat sich mit diesem Werk zum Ziel gesetzt, ein Handbuch Naturschutz für den Praktiker und Bewirtschafter im Wald zu verfassen, also für den im Wald tätigen Waldbesitzer, Waldbauer oder Förster. Das reichlich und gut bebilderte Buch möchte dafür wichtiges Waldnaturschutzwissen in kompaktem Format bereitstellen und den ökologischen Wert von bewirtschafteten Waldflächen herausstellen. Es wirbt für praktizierten Natur- und Artenschutz im Wirtschaftswald und das ist gut.
Das „Praxishandbuch Naturschutz in der Waldwirtschaft“ beschreibt auf knapp 200 Seiten typische Waldarten und Artengruppen mit ihren jeweiligen Lebensraumansprüchen und zeigt Möglichkeiten für ihren Erhalt, den Schutz und die Förderung im Rahmen der regulären Waldbewirtschaftung auf. Die Autoren erläutern in den einzelnen Kapiteln des Buches, welche verschiedenen Maßnahmen angedacht und umgesetzt werden können, denn Waldbesitzer und Förster haben im Rahmen ihrer täglichen Arbeit den größten Einfluss auf bewirtschaftete Wälder. Sie können naturschutzrelevante Aspekte richtungsweisend beeinflussen und gestalten, auch im Sinne eines gelebten Waldnaturschutzes. Und genau da will dieses Buch hinführen.
Bereits im Einleitungskapitel zu diesem Buch wird der geneigte Leser auf eine höchst spannende Reise in den Waldnaturschutz neugierig gemacht. Es macht Spaß dieses Buch zu lesen. Was gibt es im Waldnaturschutz alles zu entdecken, zu wissen und zu positiv gestalten!
Die Autoren betonen die Bedeutung des forstlichen Praktikers vor Ort, der es in der Hand hat, in welche Richtung sich ein Waldbestand entwickelt, wenn man entweder bestimmte Maßnahmen konsequent unterlässt oder aber aktiv anwendet und umsetzt. Sie verzichten dabei auf generelle Musterlösungen, zeigen aber Möglichkeiten und Ideen auf, die von interessierten Praktikern und Waldbauern leicht aufgegriffen und umgesetzt werden können – immer in Abhängigkeit von der jeweiligen Örtlichkeit und Einzigartigkeit der vor Ort vorhandenen Baumbestände und Standorte.
In den einzelnen Buchkapiteln werden eine Auswahl von naturschutzrelevanten Waldarten und Waldstrukturen beleuchtet. Aufgrund der Komplexität des Lebensraumes Wald kann leider immer nur ein kleiner Ausschnitt des Artgefüges dargestellt werden, so auch in diesem Werk.
Folgende exemplarische Themenbereiche an weit verbreiteten Arten(-gruppen) werden im Buch behandelt: Holzbewohnende Käferarten, Waldfledermäuse, Spechte, Eulen, der Schwarzstorch, Tagfalter und Widderchen sowie Amphibien. Lobenswert ist die intensive Darstellung von Maßnahmen zur Sicherung und Förderung von Fledermausquartieren. Leider fehlen in diesem Buch generelle oder auch vertiefende Aussagen zu Reptilien und, abgesehen von den Waldfledermäusen, zu weiteren Säugetierarten im Wald. Der Ökosystemingenieur Biber wird leider nur sehr kurz erwähnt. Auf Straucharten und Baumarten mit nachrangiger forstwirtschaftlicher Bedeutung, jedoch mit hoher naturschutzfachlicher Eignung, wird hingewiesen.
Was die unterschiedlichen Lebensräume anbelangt beschreibt das Buch die Waldweide und Lichtraumstrukturen, historische Waldnutzungsformen sowie Waldaußen- und Waldinnenränder intensiv. Auch die so wichtigen Themen Alt- und Totholz sowie Neobiota werden intensiv beleuchtet. Leider fehlen Aussagen zu anderen ebenfalls üblicherweise im Wald vorkommenden Sonderstandorten und Sonderstrukturen wie Fließgewässer, Waldmoore und Blockhalden.
Gut ist wiederum, dass in diesem Buch in einem Kapitel auf die Bedeutung der Kommunikation hinsichtlich des Waldnaturschutzes hingewiesen wird. Tue Gutes und rede darüber, das ist die Devise. Denn es ist wichtig, den Waldnaturschutz allen Waldbesuchern und Waldinteressierten zu erklären. Im Einzelfall mag das allerdings auch bedeuten, dass Waldbereiche zwecks Beruhigung für einzelne Arten vor dem Menschen geschützt werden müssen, was dann durch kluge Kommunikation auch verstanden werden kann.
Exemplarisch, aber intensiv, werden relevante Mikrohabitatsstrukturen (beispielsweise Baumhöhlen und Spalten) von Biotopbäumen beschrieben, die Lebensraum für eine Vielzahl von Waldarten darstellen. Diese Mikrohabitatsstrukturen gilt es, zu erkennen, sie gezielt durch waldbauliches Handeln beim Auszeichnen zu fördern und zu erhalten. Insbesondere die „Herstellung“ und Begünstigung von zukünftigen Biotopbäumen (Biotopbaumanwärter mit vielen Mikrohabitatsstrukturen) könnte im Buch allerdings noch vertiefter betrachtet werden.
Die Autoren erklären in diesem Buch den Wald und erläutern auch, was den Waldnaturschutz ausmacht und wie man die Voraussetzungen schafft, damit Natur- und Artenschutz im Wald zukünftig eine größere Rolle spielen können. Was in diesem Buch leider etwas zu kurz kommt, sind sehr konkrete Tipps für die praktische Umsetzung von Maßnahmen, beispielsweise bezüglich der Neuanlage und Revitalisierung von Amphibiengewässern, der Wiedervernässung von trockengefallenen Teichen, zur Wasserrückhaltung im Wald oder zu biodiversitätsförderlicher Art und Weise der Wegeunterhaltung, jeweils einschließlich der Angabe von Kostensätzen, Ausschreibungsmusterunterlagen und sinnvollerweise anzuwendenden Methoden und Maschinen.
Fazit
Dieses Buch erfüllt leider nicht vollständig das, was es in seinem Titel verspricht. Es greift einige Arten heraus (u.a. Kapitel zu holzbewohnenden Waldkäferarten, zu Waldfledermäusen und Schmetterlingen, etc.), andere relevante Artengruppen und wichtige Themenblöcke aber werden, wohl einem ausufernden Umfang eines solchen Werkes geschuldet, leider nicht oder nur sehr rudimentär erwähnt und betrachtet.
Alles in allem darf dieses Buch aber dennoch für den interessierten Leser empfohlen werden, gibt es doch Ideen und Anregungen, die ein Forstpraktiker in seiner täglichen Arbeit berücksichtigen kann. Denn trotz qualifizierter Ausbildung sind die wenigsten Forstleute gleichzeitig auch gut ausgebildete Biologen und Ökologen. Kaum ein Praktiker im Wald kennt alle im Wald vorkommenden Arten und ökologischen Nischen. Andererseits erfordert das zeitgleiche Umsetzen von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten auf derselben Fläche von einem Waldbewirtschafter in der heutigen Zeit umfangreiches Fachwissen, auch im Bereich der Biodiversität. Dieses Buch gibt dafür gezielte Anregungen und Ideen.
Infos zum Buch:
- Arnold, A.; Bek, H.-J.; Handschuh, M.; Hinneberg, H.; Kühnhöfer, A.; Müller, J. (2024):
- Praxishandbuch Naturschutz in der Waldwirtschaft
- Stuttgart: Eugen Ulmer KG, ISBN 978-3-8186-2029-5
- Preis: 44 € gedruckt, 31,99 € digital
Autor Buchrezension: Jörg Burkard (Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der HGON)