Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

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Geflügelpest bei Kranichen - auch Hessen ist betroffen

Seit dem vorletzten Wochenende (18./19.10.2025) ist es in den Schlagzeilen und den Nachrichten - an verschiedenen Rastplätzen der Kraniche in Deutschland ereignen sich Massensterben, ausgelöst durch Geflügelpestviren vom Typ H5N1, auch als "Vogelgrippe" bekannt. Auch in Hessen sind viele Rastgebiete davon betroffen, auch wenn derzeit keine landesweite Gefahr besteht.

Was genau diese bisher größte Katastrophe für Kraniche in Deutschland ausgelöst hat, ist noch unklar. Um das Geschehen richtig zu verstehen, sind folgende Fakten wichtig:

  1. Die aktuelle Geflügelpest-Lage in Deutschland ist nicht durch Kraniche oder andere Zugvögel ausgelöst worden. Sie begann schon im Sommer in einzelnen Geflügelhaltungen, also lange vor dem Kranichzug (Quelle: TSIS des Friedrich Loeffler-Instituts, FLI, und WAHIS - World Organisation for Animal Health). Betroffen waren und sind v.a. die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern (ab Juni), Bayern (ab Juli), NRW und Thüringen (ab Ende September). Auch aktuell werden neue Ausbrüche bei Geflügel bekannt, in den auch vorher betroffenen Regionen (Quelle: FLI). Die Zirkulation der Viren in Geflügelhaltungen, u.a. durch den großräumigen Handel mit Küken, Futter, Schlachttieren und Gülle, setzt sich also fort - unabhängig von dem Geschehen beim Kranichzug.
     
  2. Bei den Kranichen gibt es keine Hinweise auf tote oder kranke Vögel in ihren Herkunftsländern, also in Schweden, Polen, dem Baltikum etc. (Quellen: FLI und WAHIS) bzw. den Brutgebieten anderer hochnordisch brütenden Zugvogelarten (s. Mooij 2022). Die Kraniche müssen sich demnach in Deutschland infiziert haben - oder in Grenzgebieten zu Deutschland. Die Meldungen von kranken und toten Kranichen in Ornitho.de erlauben es, das Auftreten der Geflügelpest bei Kranichen räumlich und zeitlich recht gut nachzuvollziehen. Danach begann 2025 die Epidemie in den ersten Oktobertagen im nord-östlichen Mecklenburg-Vorpommern in der Nähe des Oder-Haffs (erste Todesfälle am 4.10.) und verstärkte sich wenig später in den Rastgebieten in Brandenburg (um den 13.10.), in Zusammenhang mit dem ersten Massenzugtag von Kranichen. Auffällig ist, dass andere wichtige Rastgebiete, z.B. um die Insel Rügen oder an der Müritz (MV), in der Lausitz (Sachsen) oder in der Diepholzer Moorniederung (Niedersachsen) dabei zunächst verschont geblieben sind. Von dort wurden keine Beobachtungen von kranken oder toten Kranichen gemeldet und auch Labornachweise fehlen. Im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft (MV) wurden erst am vergangenen Wochenende infizierte und verendete Kraniche gefunden.
     
  3. Es ist noch völlig unklar auf welchem Weg die Geflügelpestviren den Weg aus Geflügelhaltungen zu den Kranichen gefunden haben und es ist zu befürchten, dass die zuständigen Behörden - wie in der Vergangenheit leider zu vernehmen - keine zielführenden Untersuchungen durchführen werden. Geboten wäre eine intensive Überprüfung zentraler Einrichtungen der Geflügelindustrie an den Ausgangspunkten der Infektionen, insbesondere der wenigen großen Geflügel-Schlachthöfe. Ein sehr großer Geflügelschlachthof befindet sich beispielsweise direkt am Oder-Haff auf polnischer Seite.
     
  4. Der Ausbruch der Geflügelpest bei Kranichen am Oder-Haff wurde offenbar erst spät von den zuständigen Behörden bemerkt – erst am 16.10. gab es positive Laborergebnisse von dort (FLI TSIS).
     
  5. Die weitere Ausbreitung der Epidemie nach SW erfolgte an den zwei Massen-Zugtagen um den 13.10. und 18.10.2025. Danach häuften sich die Fälle zuerst in Brandenburg und ab dem 18.10. auch entlang des Zugkorridors nach SW über Sachsen-Anhalt, Thüringen bis Hessen und weiter. Anscheinend haben infizierte Kraniche nach dem 18.10. auch Frankreich und sogar Spanien erreicht.
     
  6. Es ist davon auszugehen, dass erkrankte Kraniche nicht ziehen und in wenigen Tagen sterben. Infizierte Vögel können aber in der symptomfreien Inkubationsphase, auch wenn diese bei Geflügelpest eher Stunden als Tage dauert, bereits große Entfernungen zurücklegen. Durch Kontakt mit infizierten Kranichen können auch andere Arten angesteckt werden. In Hessen sind bisher (Stand 26.10.2025) nur bei 2 Schwänen aus dem Kreis Groß-Gerau und einem Reiher die Viren im Labor bestätigt worden (der Reiher wird in den Medien als Silberreiher bezeichnet, vom FLI aber als Graureiher geführt). Endgültige Labornachweise bei toten Kranichen stehen noch aus, sind aber in den nächsten Tagen zu erwarten.
     
  7. Wie wird es weitergehen? Schwere Geflügelpest-Ausbrüche an Kranich-Rastplätzen gab es im Winter 2020/21 in Israel (Hula-Tal) und in Ungarn (Hortobagy-Puszta) – in beiden Fällen ausgelöst durch Geflügelpest-Ausbrüche in Massentierhaltungen der Region. Dabei starben jeweils sehr viele Kraniche, aber die meisten überlebten. Bis zum Heimzug in die Brutgebiete war die Epidemie abgeklungen und wiederholte sich in den Folgejahren nicht. Das ist auch jetzt zu erwarten. Da es sich aber um ein Ereignis handelt, dass es in diesem Ausmaß noch nie gegeben hat, sind sichere Prognosen natürlich schwierig zu tätigen.
     
  8. Wer kranke oder tote Kraniche sowie andere betroffene Großvögel findet, sollte unbedingt den Behörden Bescheid geben, also zuerst das zuständige Veterinäramt benachrichtigen. Eine Auflistung der zuständigen Behörden finden Sie auf der Seite des Ministeriums: Liste der Veterinärbehörden
    Tote Vögel werden dann - wenn irgend möglich - von zuständiger Stelle beseitigt und ordnungsgemäß entsorgt. Sonst können sich Aasfresser, wie Füchse, Krähen, Bussarde, eventuell sogar Uhus oder Seeadler, infizieren. Kleinvögel sollten nur gemeldet werden, wenn mehrere kranke oder tote Tiere verschiedener Arten an einem gefunden werden. Generell gilt: ungeschulte Personen sollten die Kadaver nicht berühren! Eine Gefahr für Menschen stellen die toten Tiere zwar nicht dar, aber unsachgemäßer Umgang kann die Verbreitung der Viren fördern (Einschleppungsgefahr!).
     
  9. Beobachtungen in Bezug auf die Epidemie (kranke / tote Vögel) sollten auch weiterhin in Ornitho.de gemeldet werden. Das kann helfen auf künftige Ausbrüche schneller zu reagieren. Hinweise hierzu finden sich auf Ornitho.de: Meldungen
     
  10. Wir appellieren an alle, jedes bekannte Rastgebiet von Vögeln (insbesondere von Wasservögeln) nicht zu beunruhigen und alle vermeidbaren Störungen dringlichst zu vermeiden, um die Tiere auf ihrer ohnehin schon Kräfte zehrenden Reise nicht noch weiter zu schwächen. Letzteres sollte auch für mögliche Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen in den Gebieten gelten, die nach Möglichkeit erst in ein paar Wochen nach Beendigung des Herbstzuges verschoben werden sollten. Außerdem sollten derzeit andere geschwächt aufgefundene Vogel nicht zu Auffangstationen gebracht werden, um eine Einschleppung des hochansteckenden Virus in die Einrichtungen zu vermeiden.

Wir bleiben mit der HGON an dem Thema dran und werden bei Änderung der Lage weiter über das Thema informieren!

 

Kontakt:

Dr. Peter Petermann und Dr. Nils Stanik
info(at)hgon.de, Telefon: 06008 1803