Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Entdecken Populationstrends häufiger Brutvogelarten in Deutschland 1990 bis 2018

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Populationstrends häufiger Brutvogelarten in Deutschland 1990 bis 2018

Studien aus dem Journal of Ornithology

Hier geht es zur Publikation im Journal of Ornithology:
Population trends of common breeding birds in Germany 1990–2018

Studie

Um was geht es?

In Kamp et al. 2020 wurde die Bestandsentwicklung von 93 Vogelarten im Zeitraum von 1990 bis 2018 mit Hilfe von Daten aus dem Monitoring häufiger Brutvogelarten (MhB) des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) untersucht. Die systematische und standardisierte Bestandsaufnahme von Arten ist die Grundlage für die Einschätzung der Auswirkungen verschiedener Landnutzungen auf unsere Vogelwelt. Das MhB liefert eine Datenbasis für Indikatoren zur Artenvielfalt, zur Nachhaltigkeit und zum Klimawandel in den Strategien der Bundesregierung. Ohne das MhB wüssten wir über die Bestandsveränderungen unserer „Allerweltsarten“ nicht Bescheid!

Zur Berechnung der jährlichen Populationsgrößen wurde auf die Ergebnisse von bis zu 1300 kartierten Probeflächen pro Jahr in Deutschland zurückgegriffen. Mittlerweile (Stand 2020) beteiligen sich rund 1.300 Personen am MhB und bearbeiten jährlich etwa 1.700 Probeflächen. Ohne die Mithilfe der vielen ehrenamtlichen Beobachter*innen wäre diese enorme Datenmenge niemals zustande gekommen!

Was kam dabei heraus?

Die Vogelarten wurden hier in unterschiedliche funktionale und ökologische Vogelgruppen (sog. „Gilden“) eingeteilt. Bei einer funktionalen Gruppe ist die gemeinsame Reaktion auf einen oder mehrere Umweltfaktoren bedeutend (z.B. Feld- oder Waldvögel). Eine ökologische Gilde bezeichnet eine Gruppe von Arten, die auf ähnliche Weise vergleichbare Ressourcen nutzt und zwar ungeachtet ihres Verwandtschaftsgrades (z.B. Samen- oder Insektenfresser).

Unter den betrachteten 93 Arten nahmen die Feldvögel stark, Vögel der Siedlungen deutlich ab. Waldvögel nahmen in den ersten Jahren des Betrachtungszeitraums ab, die Bestände erholten sich aber nach 2010 wieder. Feuchtgebietsarten nahmen stark zu, allerdings enthielt der Datensatz nur acht Arten. Arten mit enger Bindung an bestimmte Habitate nahmen überproportional ab. Für Bodenbrüter wurden ebenfalls Populationsrückgänge bestätigt. Langstreckenzieher zeigten negativere Trends als Standvögel und Kurzstreckenzieher. An kältere Klimabedingungen angepasste Arten nahmen im Mittel ab, an wärmere Bedingungen angepasste Arten zu.

In den Gilden wurden Populationsrückgänge für Samenfresser und Wirbellosen- (ohne Insekten)fresser nachgewiesen. Die Bestandstrends von insektenfressenden Vogelarten waren im Mittel stabil, allerdings nehmen insektenfressende Vogelarten des Ackerlandes seit dem Jahr 2000 stark ab.

Über den gesamten Zeitraum betrachtet waren die Trends für die häufigsten Arten im Datensatz (Bestandsgröße in Deutschland 50,000 bis 1 Million Brutpaare) negativer als für mittelhäufige. Im Gegensatz dazu waren die Trends seit 2006 für mittelhäufige Arten negativer als für die häufigen.

Die gemittelten Trends über die Arten einer Gruppe oder Gilde (sog. „multi-species indicators“) waren relativ robust in Bezug auf einen Richtungswechsel der Trends, wenn einzelne Arten stichprobenartig aus der Analyse ausgenommen wurden. Das Entfernen von einzelnen Arten aus der gleichen Berechnung führte also nicht zu anderen Ergebnissen, was zeigt, dass die Datengrundlage und die Artengruppen sehr stabil waren. Dagegen änderte sich die Stärke des Trends in Gilden mit geringer Stichprobengröße, wenn einzelne Arten ausgetauscht wurden. Dies legt nahe, dass unsere Aussagen noch an Präzision gewinnen würden, wenn weitere, mit den aktuellen Mitteln nicht erfassbare Arten in Monitoringprogrammen aufgenommen würden.

Was sollte man in Zukunft beachten?

Insgesamt sollten wir in Deutschland verstärkt gegen die besorgniserregenden Bestandsrückgänge bei den Bodenbrütern vorgehen. Hierbei handelt es sich nicht nur um die starb abnehmenden Insektenfresser, sondern auch um Arten wie das Rebhuhn oder die Grauammer. Beim hohen Einsatz von Pestiziden, wobei auch die Ackerraine nicht verschon werden, fehlt die Insektennahrung während Brutzeit zur Jungenaufzucht. Pflanzenschutzmittel sorgen für eine geringe Kräutervielfalt auf den verbliebenen Flächen, wobei die erhöhte Wiedernutzung von Brachflächen zum Verschwinden von vielen ehemaligen Brutplätzen geführt hat.

Leider wurde allerdings letztes Jahr im europäischen Parlament beschlossen, dass es bis 2027 zu keinen großen Veränderungen der Agrarpolitik in der EU kommen wird. Landwirte müssen demnach weiterhin nur fünf Prozent ihrer Ackerfläche dem Naturschutz zur Verfügung stellen, was auch den Anbau von Zwischenfrüchten und Leguminosen beinhaltet. Es wird also mittelfristig zu keinem Anstieg von Ackerrandstreifen kommen.

Der Klimawandel wird auch eine größere und nicht abzusehende Dynamik in den Beständen viele Waldvogelarten hervorrufen. Hierbei dürften aber nur Arten, die auf Totholz angewiesen sind, zu den Gewinnern zählen dürfen. Schutzstrategien sollten laut Kamp et al. 2020 deshalb die Anpassung von Arten an Umwelt- und Klimawandel berücksichtigen, z.B. durch verbessertes Schutzgebietsmanagement und erhöhte Schutzgebietskonnektivität.

Was kannst Du tun?

Du kannst beim Monitoring häufiger Brutvögel (MhB) mitmachen. Klicke hierzu auf den Link zum Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) und sehe am besten mal nach, ob in Deiner Umgebung noch eine Fläche frei ist und mache Dich mit der Methodik und dem Aufwand vertraut. Daneben findest Du auf der Seite des DDA weitere Monitoringprogramme, vielleicht ist für Dich ja etwas Spannendes dabei!

Das MhB stellt vergleichsweise hohe Anforderungen an die Kartierer*innen: Alle auf einer Probefläche vorkommenden Vogelarten müssen optisch und akustisch sicher bestimmt werden können. Darüber hinaus ist es wichtig, auch bei den mitunter hohen Vogeldichten in Wäldern oder Siedlungen den Über-blick zu behalten. Der Aufwand zur Teilnahme ist mit vier Begehungen zwischen März und Juni überschaubar. Durch die neuen digitalen Möglichkeiten bei der Datenerfassung reduziert sich der Aufwand für die Datenaufbereitung und -auswertung erheblich!