Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Entdecken Vom Verschwinden der Schleiereule in Hessen

Vom Verschwinden der Schleiereule in Hessen

Erstmals seit dem fast 20jährigen Bestehen des Netzwerks benennt BioFrankfurt für das Jahr 2023

eine negative Biozahl: MINUS 1.800

Stellvertretend für den weltweiten Rückgang der biologischen Vielfalt gibt der massive Rückgang der Schleiereulen dem Artensterben regional ein Gesicht: Vor 15 Jahren gab es in Hessen bis zu 2.000 Schleiereulenpaare. Heute wird die Population auf nur noch 200 Brutpaare geschätzt und verzeichnet somit einen Rückgang von 1.800 Brutpaaren (90%).

Wir stehen vor einem Wendepunkt auf unserem Planeten: Die natürlichen Ökosysteme schrumpfen und mit ihnen die biologische Vielfalt. Extremwetterereignisse nehmen zu und erschweren längst nicht nur dem Menschen das Überleben auf der Erde. Die Mitgliederinstitutionen des Netzwerks BioFrankfurt setzen sich gemeinsam seit fast zwei Jahrzehnten dafür ein, dass die Menschen biologische Vielfalt verstehen, erhalten und fördern – und sie versuchen, die Brisanz der aktuellen Situation aufzuzeigen.

Im gerade erschienenen Buch „Vom Verschwinden der Arten“ beschreibt Prof. Dr. Katrin BöhningGaese vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum die Natur als unsere Lebensversicherung, die uns mit Luft, Wasser und Rohstoffen versorgt und uns außerdem Erholung bietet. Doch wir kündigen diese Versicherung täglich auf: Der rasante Artenschwund vernichtet unsere eigenen Lebensgrundlagen.

Die Bestandsentwicklung der Schleiereule in Hessen zeigt diese Entwicklung exemplarisch. Die intensive landwirtschaftliche Nutzung, Pflanzenschutzmittel und starker Einsatz von Düngemitteln führen dazu, dass die biologische Vielfalt auf den Feldern und Wiesen immer weiter abnimmt und damit auch die Nahrung der Schleiereulen zunehmend knapper wird

Dr. Tobias Reiners, Vorsitzender der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. (HGON), erläutert: „Die flächige Intensivlandwirtschaft führt dazu, dass die Feldmauspopulationen inzwischen stark abgenommen haben und Jahre mit besonders vielen Mäusen ausbleiben. Die Schleiereule frisst jedoch vor allem kleine Nagetiere – deren Rückgang gilt daher als Hauptursache für den Einbruch der Eulenpopulation.“

Unter diesen Bedingungen brütet die Schleiereule kaum noch – und wenn, werden nur wenige Jungvögel aufgezogen. Zusätzlich macht ihr der Verlust von Nistplätzen zu schaffen. Dabei hatte sie sich über viele Generationen perfekt an das Zusammenleben mit dem Menschen angepasst und war in fast jedem Dorf anzutreffen: Unterschlupf fand sie etwa in Scheunen und Dachstühlen von Kirchen. Doch solche Plätze stehen immer seltener zur Verfügung. Die Folge: In Frankfurt gibt es nur noch vereinzelte Sichtungen der Schleiereule, eine dokumentierte Brut liegt bereits fünf Jahre zurück.

Der Rückgang der hessischen Schleiereule ist offensichtlich, aber das ist nicht die Regel. „Der Schwund von Lebensräumen und Arten geschieht in der Regel leise und unauffällig,“ weiß Katrin Böhning-Gaese „oft merkt man es erst, wenn es zu spät ist!“

Umso wichtiger sind Langzeitstudien und das regelmäßige Monitoring. Neben der HGON, die seit fast 60 Jahren in Hessen die Bestandsentwicklung der Brut- und Rastvögel erfasst, leistet regional auch die Vogelkundliche Beobachtungsstation Untermain (VBU) durch die Vogelberingung einen wichtigen Beitrag. Mit dem 100-jährigen Bestehen des BioFrankfurt-Mitglieds, das im kommenden Jahr gefeiert wird, wurden bereits über 715.000 Vögel durch die VBU gefangen, vermessen und beringt. Im Großraum Frankfurt werden aktuell jährlich rund 20.000 Beringungen durchgeführt. Dieses Langzeitmonitoring bietet die Möglichkeit, den schleichenden Prozess des Artenrückgangs zu dokumentieren

Der Rückgang der Schleiereule ist kritisch, aber noch können wir handeln: Mit geeigneten Nisthilfen, aber vor allem mit mehr Vielfalt, Blühflächen und Wegrainen in den Ackerbereichen. Die Schleiereule mit ihrem charismatisch herzförmigen Gesicht steht stellvertretend für alle Arten, die durch die menschgemachten Veränderungen der Landnutzung, des Klimas und dem Rückgang der biologischen Vielfalt gefährdet sind. Mit unserer negativen Biozahl möchten wir zeigen: Es ist spät, aber noch nicht zu spät! Nun ist es an uns, die biologische Vielfalt zu erhalten und wieder zu fördern. Davon profitieren am Ende auch wir selbst – denn Biodiversität ist die Grundlage für unser (Über-)Leben.

Verantwortlich und zuständig für Rückfragen und Anmerkungen:

Dr. Christiane Frosch, Leitung der Geschäftsstelle

Tel. 0178 5507822 E-Mail: frosch(at)biofrankfurt.de

Joachim Gottschalk, Sprecher BioFrankfurt

Tel.: 0176 60163228 E-Mail: gottschalk(at)biofrankfurt.de

www.biofrankfurt.de

Die biologische Vielfalt, die Vielfalt aller Ökosysteme und Arten sowie die genetische Vielfalt innerhalb der Arten bilden die Lebensgrundlage für den Menschen. Bei BioFrankfurt – Das Netzwerk für Biodiversität e.V. setzen sich führende Einrichtungen aus den Bereichen Forschung, Bildung und Naturschutz gemeinsam für die Erhaltung und für eine nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt ein und wollen gleichzeitig das öffentliche Bewusstsein für ihre Bedeutung stärken.

Das Netzwerk für Biodiversität BioFrankfurt veröffentlicht seit 2006 jährlich eine "Biozahl". Sie soll entweder eine anschauliche Größe biologischer Vielfalt aufzeigen oder auf Probleme schwindender Vielfalt und natürlicher Ressourcen hinweisen. Mehr zu den Biozahlen der vergangenen Jahre unter www.biofrankfurt.de/biozahl

Beteiligte Partner:innen aus dem Netzwerk:

Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Walter Gengenbach; E-Mail: walter.gengenbach(at)hgon.de

Stefan Stübing; E-Mail: stefan.stuebing(at)hgon.de

Dr. Tobias Erik Reiners; E-Mail: tobias.reiners(at)hgon.de

Auf der Plattform ornitho.de werden alle Vogelbeobachtungen gesammelt. Hier kann jeder mitmachen, die HGON freut sich auf Eure/Ihre Beobachtungen dort!

Senckenberg

Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese; E-Mail: katrin.boehning-gaese(at)senckenberg.de Bauer, F., & Böhning-Gaese, K. (2023). Vom Verschwinden der Arten. Klett-Cotta.

Vogelkundliche Beobachtungsstation Untermain e.V. Frankfurt am Main

Uli Eidam und Karl-Heinz Grass; E-Mail: mails(at)vbu-ffm.de

Auf der Homepage werden jährlich die Beringungsdaten veröffentlicht.

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