Was uns Federn verraten
In Federn gespeicherte Informationen ermöglichen die Bestimmung von Überwinterungsgebieten der Europäischen Turteltaube.
Warum ist die Bestimmung von Überwinterungsgebieten relevant?
Zugvögel halten sich je nach Jahreszeit in geografisch unterschiedlichen Regionen auf. Insbesondere Langstreckenzieher, wie die Europäische Turteltaube (Streptopelia turtur), verbringen in der Regel den größten Teil des Jahreszyklus außerhalb ihrer Brutgebiete. Dennoch konzentrieren sich die meisten Studien auf Faktoren, die sich auf die Bedingungen während der Brutzeit auswirken. Im Gegenzug ist die Forschung zu Auswirkungen von Ereignissen außerhalb der Brutzeit auf das Überleben von Zugvögeln bisher noch unzureichend. Ein französisches Forscherteam hat bereits aufgezeigt, dass die jährlichen Überlebensraten von Turteltauben durch die Umweltbedingungen, denen die Individuen in ihren afrikanischen Überwinterungsgebieten ausgesetzt sind, beeinflusst werden (Eraud et al. 2009). Daher ist die Ermittlung der wichtigsten Überwinterungsgebiete der Turteltauben wichtig, um geeignete Schutzmaßnahmen für den gesamten Jahreszyklus zu entwickeln. Daher ist die Erforschung der Gebiete, die außerhalb der Brutzeit genutzt werden, bedeutend.
Bestimmung der Überwinterungsgebiete anhand von Federproben
Da die Verfolgung von Turteltauben über Trackingstudien trotz fortschreitender technologischer Modernisierung immer noch relativ kostspielig ist, können meist nur ein paar Individuen besendert werden. Des Weiteren können bei Beobachtungen in den afrikanischen Überwinterungsgebieten die Turteltauben-Unterarten ohne Fang nicht zuverlässig unterschieden werden. Aufgrund dieser Schwierigkeiten entschied sich das Forscherteam der AG Verhaltensökologie & Ökophysiologie der JLU Gießen die Überwinterungsgebiete anhand von Federproben zu bestimmen. Federn sind, nachdem sie gewachsen sind, metabolisch inaktiv und über die in den Federn gespeicherten Informationen können Rückschlüsse über den entsprechenden Wachstumsort gewonnen werden. Im Fall der Turteltauben wurde eine der Handschwingen-Federn, von der bekannt ist, dass sie während der Überwinterphase wächst, untersucht. Insgesamt wurden 181 Turteltauben-Federn mit Hilfe internationaler Kooperationspartner gesammelt. Die Federproben stammten aus Museumssammlungen oder ein kleines Stück Feder (ca. 1 cm²) wurde von lebenden Turteltauben gesammelt. Gemessen wurden die Isotopen-Werte der Federn (Wasserstoff δ2H und Kohlenstoff δ13C). Die Isotopen-Werte der Federn können über sogenannte Isotopenlandschaften ("isoscapes"), die die vorherrschenden Isotopensignaturen in Afrika abbilden, bestimmten Gebieten zugeordnet werden.
Wo überwintern Turteltauben aus europäischen Brutgebieten?
Die Herkunftsanalyse ergab, dass die Überwinterungsgebiete der Turteltauben am wahrscheinlichsten in der westlichen und zentralen Sub-Sahara lagen. Die wahrscheinlichsten Überwinterungsgebiete in der westlichen Sub-Sahara lagen in Westafrika: Senegal, Gambia, Guinea-Bissau, Guinea, Sierra Leone, nördliche Elfenbeinküste, westliches Burkina Faso, südwestliches Mali, und in der zentralen Sub-Sahara in Togo, Benin, Nigeria und Nordkamerun. Im östlichen Teil der Subsahara-Sahelzone wurden keine wahrscheinlichen Überwinterungsgebiete abgebildet. Ein Abgleich mit Schutzgebieten zeigte, dass internationale Biosphärenreservate und Ramsar-Gebiete, die sich mit den wahrscheinlichsten Überwinterungsgebieten der Turteltauben überschneiden, sich hauptsächlich in Guinea und Senegal und in geringerem Umfang in Mali und Sierra Leone befanden. In Benin, der Elfenbeinküste, Kamerun und Nigeria befanden sich keine internationalen Schutzgebiete in Gebieten mit hoher Herkunftswahrscheinlichkeit. Die meisten größeren nationalen Schutzgebiete und Vogelschutzgebiete befanden sich im zentralen und östlichen Teil der Sub-Sahara, wo eine Überwinterung nach den Forschungsergebnissen eher unwahrscheinlich ist. Die Situation in Überwinterungsbedingungen wird sich in Zukunft wahrscheinlich weiter verschlechtern, da sich in der Sub-Sahara-Region die Agrarlandschaften rasch verändern. Turteltauben sind anfällig für Veränderungen, wie dem Rückgang von Waldflächen durch Abholzung und der Zunahme von Monokulturen in ihren Überwinterungsgebieten. Hier sollten, wie auch in ihren europäischen Brutgebieten, Maßnahmen zum Erhalten der bedrohten Turteltauben ergriffen werden.
Die Studie kann in der Fachzeitschrift European Journal of Wildlife Research gelesen werden:
Feather stable isotopes (δ2Hf and δ13Cf) identify the Sub-Saharan wintering grounds of turtle doves from Europe
Yvonne Schumm