Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

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Mehr Schutzgebiete nötig

Bericht der Hofgeismarer Allgemeinen über die HGON-Frühjahrstagung

Verband sieht Defizite bei Naturschutzflächen
30 Prozent der Fläche Deutschlands sollen unter Naturschutz gestellt werden. Diesem Ziel der UN-Konferenz für Biodiversität hat auch die Bundesregierung zugestimmt. Das Regierungspräsidium sieht Nordhessen bereits auf einem guten Weg: Mit Naturschutz und FFH-Gebieten, Vogelschutzgebieten, dem Nationalpark Kellerwald und dem Nationalen Naturmonument Grünes Band komme die Region „dem 30-Prozent-Ziel schon sehr nahe“, teilte das RP auf HNA-Anfrage mit. Die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz sieht dagegen noch Handlungsbedarf. Das sagte Nils Stanik, Leiter des HGON-Arbeitskreises Kassel, nach einer Tagung der Gesellschaft in Kassel: „30 Prozent sind ein ambitioniertes Ziel.“ Der Nationalpark Kellerwald und das „Grüne Band“ entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze seien „wichtige Schritte“, aber es gebe Defizite. Um die zu beseitigen, seien die Erweiterung bestehender Schutzgebiete und die Ausweisung neuer notwendig, erklärte Stanik. Das gelte für die Region um Kassel wie auch für Nordhessen. In Abstimmung mit dem hessischen Umweltministerium werde derzeit eine Übersicht über relevante Flächen im Regierungsbezirk Kassel erstellt. Deshalb könne das Regierungspräsidium noch keine genauen Zahlen nennen, erläuterte Sprecher Hendrik Kalvelage. Kritisch blickt die HGON auch auf die Pflege der Schutzgebiete. Um deren Schutzziele zu erreichen, sei eine dauerhafte Pflege notwendig. Der HGON-Arbeitskreis verweist als Beispiel auf den Dörnberg: Dort müsste das Gelände intensiver betreut werden. Auf den ersten Blick gebe es auf den Magerrasen und Wacholderflächen eine artenreiche Vogelwelt. Doch die habe sich gewandelt. Neuntöter, Baumpieper und Bluthänfling, die auf diese Lebensräume angewiesen sind, seien selten geworden, sagt der Landschaftsökologe Stanik. Dagegen hätten sich Meisen und Mönchsgrasmücken ausgebreitet – Arten, die nicht bedroht sind. Auch das Vogelschutzgebiet Fuldaaue könnte mit mehr Pflege seine Schutzziele besser erfüllen. Der Glockenborn bei Wolfhagen sei ein herausragendes Beispiel für ein Naturschutzgebiet mit guter Pflege. Das zeige die Artenvielfalt. Der Arbeitskreis wolle den Dialog mit dem Regierungspräsidium suchen, um weitere Flächen im Sinne des Schutzgebietsziels 2030 besser zu schützen und Planungen anzustoßen, kündigte Stanik an.
 

Den Naturschutz besser machen
Auf dem Dörnberg leben seltene Tiere und Pflanzen. Jahrhundertelang hatten Bauern ihre Tiere auf dem Berg weiden lassen. So entstanden im Laufe vieler Jahre auf dem Kalkboden die kargen Magerrasen. Heute sind sie Lebensraum für etliche Orchideenarten und fast 30 gefährdete Schmetterlingsarten. Alljährlich blühen dort reichlich im Frühjahr Schlüsselblumen und Knabenkraut. Um die wertvollen Flächen langfristig zu erhalten, wurde 1978 das Gebiet um die Bergkuppe unter Naturschutz gestellt. Damit entstand ein großes, landesweit bedeutendes Schutzgebiet. Um dessen Schutzziel zu erreichen, gibt es einen Pflegeplan. Doch der wird – am Dörnberg wie auch in anderen Schutzgebieten – aus Sicht der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz nicht ausreichend umgesetzt. Das habe unter anderem eine vogelkundliche Langzeituntersuchung gezeigt, bei der Arbeitskreis- Mitglied Fabian Hirschauer Daten bis ins Jahr 1972 zurück aufgenommen hat. In Zehn-Jahres-Abständen hatten die bekannten Naturschützer Volker Lucan und Lothar Nitsche von 1972 bis etwa 1990 die Vogelwelt am Dörnberg unter die Lupe genommen. Auf diesen Daten baute Hirschauer auf und ergänzte sie mit umfangreichen Beobachtungen. 2020 und 21 untersuchte er die Vogelwelt in demselben Gebiet wie Lucan und Nitsche. Der HGON-Landesverband unterstützte ihn bei dieser Arbeit. Hirschauer fand auf den Magerrasen und Wacholderflächen zwar eine bunte Vogelwelt. Doch typische Arten wie Neuntöter und Baumpieper tauchten kaum noch auf. Das berichtete der Landschaftsökologe während der Frühjahrstagung der HGON in Kassel. Die Folgerung des Arbeitskreises: Mit allen Pflegearbeiten, die der Managementplan vorsehe, könnte das Schutzziel besser erreicht werden. Diese Beobachtung hätten Mitglieder der auch in anderen Gebieten gemacht, ergänzte Arbeitskreisleiter Nils Stanik. Die Pflegeziele seien leicht zu definieren, die vollständige Umsetzung in den Flächen sei jedoch wichtiger. Das Regierungspräsidium weist die Kritik zurück: Die Umsetzung der Pflegearbeiten erfolge über die Forstämter, die Landkreise und die Landschaftspflegeverbände. Diese laufe „in der Regel gut und ist gut organisiert“. Das bedeutet nicht, dass es in Einzelfällen Probleme geben kann, „die aber bisher gemeinsam gelöst werden konnten“, teilt das RP mit. Die HGON sieht dennoch Defizite. Sie wolle mit ihrer Arbeit „Grundlagen bieten, damit Naturschutz besser wird“, unterstrich Stanik.


Mehr Artenvielfalt auf Öko-Betrieben
1998 wurde der landwirtschaftliche Betrieb auf der Domäne Frankenhausen auf Öko-Landbau umgestellt. Das berichtete der frühere Arbeitskreisleiter Harald Haag während seines Vortrags bei der Frühjahrstagung der HGON in Kassel. Haag hat am Beispiel der Domäne bei Grebenstein die Auswirkung ökologischer Landwirtschaft auf die Vogelwelt in unserer Kulturlandschaft untersucht. Dabei stellte er fest, dass man Öko-Betriebe als „Schutzgebiete für die Arten der Agrarlandschaft bezeichnen“ könne. Über zehn Jahre hatte Haag die Vogelarten im Bereich der Domäne und der benachbarten Flächen untersucht. Nach der Umstellung auf ökologische Landwirtschaft hätten sich die Vogelbestände bei den meisten Arten vervielfacht, berichtete Arbeitskreisleiter Nils Stanik aus Haags Vortrag. Nur bei den Feldlerchen habe sich auch auf den Öko-Flächen der Bestand verringert. Damit habe sich die Art auch dort nicht dem bundesweiten Trend entziehen können, ergänzte Stanik. Aber es gebe auf der Domäne mehr Lerchen als in der Umgebung. Auch Insekten hätten von der Umstellung profitiert. Das wirkte sich positiv auf die Vögel aus, von denen sich viele von Insekten ernähren. Der Verzicht auf Pestizide sowie unterschiedliche Anbaumethoden schafften mehr Pflanzenvielfalt auf den Flächen. Ergänzend gebe es größere Blühstreifen. Das wiederum führe zu besseren Lebensbedingungen für Insekten und Vögel, berichtete Stanik aus den Untersuchungsergebnissen von Harald Haag.


Den Artikel aus der Hofgeismarer Allgemeinen finden Sie auch hier als PDF zum Download:
Hofgeismarer Allgemeine – 15.03.2023