Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Entdecken Viele Wasservögel auf den Tagebauseen

Viele Wasservögel auf den Tagebauseen

Der Frost der letzten Wochen hat Bingenheimer Ried und Horloffaue gefrieren lassen. Eigentlich müssten zahlreiche Wasservögel nun fliehen, wenn nicht die Restlöcher des Braunkohletagebaus wären!

Im Naturschutzgebiet Teufel- und Pfaffensee zwischen Gettenau und Weckesheim sorgt der viel größere, tiefere Wasserköper dafür, dass die Seen erst viel später gefrieren als die flachen Auengewässer. Während der Pfaffensee am Wochenende schon eine dünne Eisschicht bildete, blieb der Teufelsee bislang komplett eisfrei. Ähnlich sieht es am Bergwerksee zwischen Weckesheim und Dorn-Assenheim und am Unteren und Oberen Knappensee bei Utphe aus.

Die offenen Wasserflächen stellen nun besonders wichtige, landesweit bedeutende Rastplätze für Wasservögel dar. Zusätzlich zu den vielen Enten und Gänsen, die hier alljährlich überwintern, kommen noch hunderte weitere Wasservögel, die in Nordostdeutschland vor dem Frost ausweichen mussten. So sind neben den heimischen Graugänsen nun auch Bläßgänse zu beobachten. Diese auffallend kleine Gans steht in der Größe etwa zwischen Stockente und Graugans. Die Altvögel zeichnen sich durch einen weißen Ring um den Schnabel bis auf die Stirn sowie die breit schwarz gefleckte Unterseite aus. Zuhause sind Bläßgänse als Brutvögel in der arktischen Tundra, ihr Überwinterungsgebiet befindet sich vor allem in Norddeutschland und den Niederlanden. Ähnlich verbreitet ist die Tundra-Saatgans, die derzeit ebenfalls beobachtet werden kann.

Unter den Enten fällt aktuell vor allem die Pfeifente auf, deren Männchen die typischen, namensgebenden Pfeiflaute über die Wasserfläche schallen lassen. Mit dem leuchtend rotbraunen Kopf, der gelbbeigen Stirn, rosafarbenen Brust, weißen Armflügeln, leuchtend grünen Armschwingen und dem blauen Schnabel sind die Erpel für einen Wasservogel auffallend bunt gefärbt. Dicht zusammenhaltende Trupps von bis zu 800 Pfeifenten, wie sie derzeit am Teufelsee zu sehen sind, stellen für Hessen einen Höchstwert dar. Weiterhin sind u.a. Schnatterenten, einige Löffel- und Spießenten sowie die bekannten Stockenten zu sehen. „Diese Enten zählen zur Gruppe der Schwimmenten, die ihre Nahrung schwimmend und oft, wie im Kinderlied, mit dem „Köpfchen in das Wasser“ aufnehmen“, berichtet Udo Seum vom Arbeitskreis Wetterau der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. (HGON). Die sogenannten Tauchenten tauchen mit dem ganzen Körper einige Meter ab. Manche Arten dieser Gruppe können sogar Tiefen von mehr als 50 Metern erreichen. Tafel- und Reiherenten zählen zu den Tauchenten, sie sind ganzjährig in der Wetterau zu beobachten. „Relativ neu ist das Vorkommen von Schellenten am Teufel- und Pfaffensee“, so Stefan Stübing, Vogelexperte der HGON. Die Männchen der Schellente sind überwiegend weiß gefärbt, nur Rücken und Kopf sind schwarz mit grünem Schimmer und einem leuchtend weißen Fleck an der Schnabelbasis. Der Name der Schellente geht auf ein musikalisches Klingeln zurück, das die Männchen im Flug hören lassen. Es wird nicht mit der Stimme, sondern durch eine verkürzte Handschwinge erzielt, entsteht also während des Flügelschlagens. Ursprünglich waren Schellenten relativ seltene Gäste in der Wetterau, in den letzten Jahren sind jedoch regelmäßig in jedem Winter mehr als 20 der musikalischen Enten auf Teufel- und Pfaffensee zu sehen und zu hören.

Von den zu Jahresbeginn in den überfluteten Auenbereichen mit etwa 1.500 Individuen besonders zahlreich rastenden Krickenten ist ein hoher Anteil hingegen mit dem Frosteinbruch nach Südwesten abgezogen, derzeit sind nur kleinere Gruppen zu sehen. Auch vielen anderen Vogelarten machen Schnee und Eis der letzten Wochen schwer zu schaffen. Stübing berichtet: „Besonders für viele Singvögel waren die letzten Tage lebensbedrohlich. Neben Schnee und Frost kamen sie in der durch den Eisregen vereisten Vegetation kaum noch an ihre Nahrung“. Da für die kommenden Tage Tauwetter vorhergesagt ist, sind keine besonderen Hilfsmaßnahmen nötig. Ganz wichtig: Rastende Vogelschwärme sollten immer nur aus größerer Entfernung, z.B. mit einem Fernglas, beobachtet werden, empfehlen die Experten der HGON. Nähert man sich zu dicht an, müssen die Vögel auffliegen. Dadurch verbrauchen sie wertvolle Energie, die an kalten Tagen über Leben und Tod entscheiden können.

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