Kleiner Bestand, große Verantwortung
Die gnadenlose Verfolgung hat Spuren im Verhalten der Schwarzstörche hinterlassen: Bis heute ist er ganz besonders scheu. Er brütet nur in ungestörten, abgelegenen Wäldern. Ungestörtheit allein reicht dem Schwarzstorch allerdings nicht. Um sich mit seinen zwei Metern Flügelspannweite im Wald bewegen zu können, mag er besonders lichte Wälder. Alte Buchen haben es ihm besonders angetan, denn sie allein können das Gewicht des mächtigen Horstes mitsamt der Familie tragen. Damit nicht genug: ebenso wichtig sind klare Waldbäche und Teiche, in denen er Frösche, Molche, Fische und Großinsekten für sich und seine Jungen findet. Heute leben nur ca. 60 Brutpaare in den Wäldern Hessens. Der genaue Bestand ist unklar, vielfache Störungen im Horstbereich der scheuen Tiere führen dazu, dass sich die Paare teilweise in einigen Kilometer Entfernung einen neuen Brutplatz suchen.
Die Rückkehr des Schwarzstorchs ist ein Erfolg des Naturschutzes, allerdings ein Erfolg auf tönernen Füßen: Veränderungen in der Waldbewirtschaftung und Windkraftplanungen in entlegenen Waldgebieten bedrohen den Lebensraum des Schwarzstorchs. Und so könnte die Rückkehr von Adebars schwarzem Bruder nur eine kurze Episode in Hessens Naturgeschichte sein. Wir wollen das verhindern!
Pilotprojekt zur Telemetrie von jungen Schwarzstörchen
Im Juni 2018 wurden in Kooperation von HGON und der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland fünf nestjunge Schwarzstörche in Nordhessen mit solarbetriebenen Datentrackern in Form von Beinringen ausgestattet. Die so gewonnenen detaillierten Daten zu den Flugbewegungen von nur fünf telemetrierten Individuen lieferten bereits viele interessante Erkenntnisse über Zugverhalten und Überwinterung von Schwarzstörchen.
Zugverhalten von Schwarzstorchen
Der Abzug gliederte sich in längere Rastphasen (Beispielsweise in Frankreich und Tschechien) und Abschnitte, in denen in wenigen Tagen große Strecken zurückgelegt wurden. Bemerkenswert sind unterschiedliche Abzugsrichtungen innerhalb einer Geschwistergruppe: zwei Vögel zogen westlich über Gibraltar, der dritte dagegen östlich über Tschechien und Türkei. Drei der insgesamt fünf Jungstörche führten Dismigrationsflüge in Richtung Ostsee und Polen durch, bevor sie über den Ostweg weiter ins Winterquartier flogen.
Während des Zuges konnten einzelne Tagesetappen von über 500 Kilometer aufgezeichnet werden. Die Überwinterungsgebiete von zwei Störchen lagen im Senegal und in Burkina Faso. Einer der Jungvögel kam durch einen Stromschlag am Mast einer Mittelspannungsfreileitung in Serbien um.
(Vgl. Jahresbericht HGON 2018, Berichte zum Vogelschutz 2018, Heft 55).