Eine Reise durch die Zeit
Unentdeckte Aussterbeereignisse von Vogelarten
Eine Studie zum durch den Menschen verursachten Aussterben von Vogelarten
Auch wenn Vögel zu den besten untersuchten Tiergruppen gehören, ist über ihre Diversität in prähistorischen Epochen wenig bekannt, sodass sich die Gesamtzahl der ausgestorbenen Vogelarten bisher nur schwer abschätzen lässt. Bisher unentdeckte Aussterbefälle limitieren unser Verständnis der Aussterberaten von Vögeln, was dazu führen kann, dass das Ausmaß des vom Menschen verursachten Biodiversitätsverlustes erheblich unterschätzt wird.
Eine Studie einer Forschergruppe um Rob Cooke untersucht die Ausbreitung des Menschen und damit verbundene Aussterbeereignisse von Vögeln in verschiedenen Zeitabschnitten, beginnend mit dem ersten Abschnitt vor dem Holozän und endend in der heutigen Zeit.
Der dazugehörige Artikel erschien im Dezember 2023 in der Fachzeitschrift Nature Communications und kann hier eingesehen werden:
Undiscovered bird extinctions obscure the true magnitude of human-driven extinction waves
Aussterben von Vogelarten seit dem Spätpleistozän
Die Autoren der Studie betonen, dass sie über die Ergebnisse früherer Studien hinaus Aussterbeereignisse über den gesamten Globus abdecken, indem sie die räumliche Verteilung des Aussterbens sowie modellierte unentdeckte Aussterbefälle in zeitliche Analysen der Aussterberate miteinbeziehen. Mit ihrem Modell, welches unter anderem mit Hilfe fossiler Funde auf verschiedenen Archipelen erstellt wurde, können die Forscher*innen so das gesamte Ausmaß, die räumliche Verteilung und die Rate des weltweiten Vogelsterbens seit dem Spätpleistozän, also bis für ~126.000 Jahre in die Vergangenheit, quantifizieren.
Mehr als 1.000 ausgestorbene Vogelarten – starker Einfluss des Menschen?
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass seit dem Spätpleistozän, also in den letzten ~126.000 Jahren, in etwa 1.300 bis 1.500 Vogelarten ausgestorben sind. Dies entspricht in etwa 12% der Gesamtzahl an vorkommenden Vogelarten (ca. 11.000 entspricht). Diese modellierte Zahl an ausgestorbenen Arten aus der vorliegenden Studie ist mehr als doppelt so hoch wie die vorher herrschende Schätzung, welche allein auf beobachteten Aussterbeereignissen und fossilen Aufzeichnungen beruhte. Dies bedeutet, dass etwa 55% der ausgestorbenen Arten derzeit noch unentdeckt sind, was in etwa 800 Arten sind. Darüber hinaus betonen die Autoren, dass sie eine intensive, vom Menschen verursachte Aussterbewelle für Vögel feststellten. Vom Menschen verursacht bedeutet hierbei direkt durch menschliche Aktivitäten wie die Jagd sowie indirekt durch vom Menschen verursachte Einflüsse wie Abholzung, Landnutzungsänderungen oder durch die Einführung invasiver Arten. Das vom Menschen verursachte Aussterben von Vogelarten erreichte mit einer hohen Aussterberate, die etwa 80-mal höher ist als die Hintergrundsterbe-Rate, seinen bisherigen Höhepunkt etwa 1300 n. Chr. Als Hintergrundsterben wird das normale Aussterben von Tierarten über gewisse Zeiträume bezeichnet.
Schwankungen im Lauf der Zeit – drei große Aussterbewellen
Die Aussterberate der Vögel schwankte im Lauf der Zeit, wobei seit dem Spätpleistozän drei große Aussterbewellen auftraten. Aussterbeereignisse erfolgten in der Regel rasch nach der Ankunft des Menschen in neuen Gebieten. Daraufhin verlangsamten sich die Aussterberaten dann, da anfällige Vogelarten schnell verschwanden und Arten, die widerstandsfähiger gegen menschliche Einflüsse waren, blieben. Insgesamt zeigen die Autoren in ihrer Studie die große räumliche und zeitliche Heterogenität des vom Menschen verursachten Aussterbens von Vogelarten auf.
Den Höhepunkt der erste Aussterbewellen stellen die Autoren um 840 v. Chr. fest. Diese erste Aussterbewelle wurde primär durch die Ankunft von Menschen auf Inseln im Westpazifik verursacht, z.B. auf den Fidschi-Inseln sowie auf den Kanarischen Inseln.
Die zweite und bisher intensivste Aussterbewelle erreichte ~1300 n. Chr. ihren Höhepunkt. Diese Welle wurde durch die erste Ankunft von Menschen auf Inseln, wie der Hawaii-Inselkette, im Ostpazifik ausgelöst. Die Ankunft der Menschen und der mit ihnen eingeführten Haustiere (wie Schweine, Hunde oder Hühner) und Ratten verursachte eine Veränderung des Lebensraums und brachte neue Bedrohungen für die einheimische Avifauna mit sich, was zu einem raschen Rückgang der einheimischen Vogelarten führte.
In der dritten Aussterbewelle befinden wir uns aktuell. Diese umfasst im Gegensatz zu den beiden vorherigen Aussterbewellen das Aussterben in vielen verschiedenen Regionen. Auch weisen die Forscher in ihrem Artikel darauf hin, dass die aktuelle Aussterbewelle durch die weltweite Zunahme menschlicher Bedrohungen, darunter die Zerstörung von Lebensräumen und Umweltverschmutzung, angetrieben wird. Das prognostizierte Aussterben zahlreicher noch existierender Arten deutet darauf hin, dass wir uns auf ein heutiges Vogelsterben zubewegen, das von größerem Ausmaß ist als jedes andere seit dem Spätpleistozän.
Dr. Yvonne Schumm