Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

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Viele Libellenarten breiten sich in Deutschland weiter aus, wenige ziehen sich zurück

Eine aktuelle Studie untersucht die Verbreitung heimischer Libellenarten, auch unser AK Libellen in Hessen hat dabei mitgewirkt.

Hier geht es zur Publikation in Diversity and Distribution: Winners and losers over 35 years of dragonfly and damselfly distributional change in Germany

In jüngerer Zeit erscheinen immer mehr Studien, die den massiven Rückgang von Insekten in Europa nahelegen. Weil aber langfristige und hinreichend genaue Daten über bestimmte Taxa – also Insektengruppen wie Schwebfliegen oder Wanzen – fehlen, haben die Autorinnen und Autoren sich in ihrer Studie den Libellen (Odonata) in Deutschland zugewandt. Dabei konnten sie auf mehr als eine Millionen Datensätze zurückgreifen, die zu einen Großteil auf den Beobachtungen von fachkundigen Amateuren stammen, der Citizen Science, kurz: CS. Viele der in der Studie genutzten Beobachtungen stammten auch von Mitgliedern des Arbeitskreises Libellen in Hessen.

In ihren Untersuchungen nahm das Team äußere Einflüsse auf die Verbreitung der Libellen, gemessen anhand der Zahl von Messtischblatt-Quadranten (MTBQ, Kantenlänge ca. 5 km) mit Artnachweisen, in Augenschein und untersuchten diese über die Zeit. Außerdem entwickelten die Autorinnen und Autoren eine Methode, um Arten mit ähnlichen Mustern in der Veränderungen ihrer Verbreitung zu Gruppen zusammenzufassen. So konnten sie die Verbreitung von 77 Libellenarten in Deutschland über die Jahre 1980-2016 auswerten und ihre Veränderung über die Zeit feststellen.

Signifikant ihren Lebensraum vergrößern konnten der Studie zufolge 35 Arten (45 %). Die Feuerlibelle (Crocothemis erythraea) und die Gabel-Azurjungfer (Coenagrion scitulum), waren hier die stärksten Gewinner, aber auch die Große Königslibelle (Anax imperator). Auf der andere Seite zeigten 22 Arten (29 %) einen Verbreitungsrückgang. Als am stärksten betroffen stellten sich Gefleckte Heidelibelle (Sympetrum flaveolum), sowie die Mond-Azurjungfer (Coenagrion lunulatum) heraus. Letztere kommt in Hessen nicht vor. Die übrigen 20 Arten (26 %) zeigten keine bedeutende Veränderungen. Laut Roter Liste gefährdete Arten wiesen auch die stärksten fallenden Trends auf.

Die wichtigsten Merkmale, die langfristig über Ausbreitung oder Rückgang entscheiden, scheinen Temperaturpräferenz, Beginn der Flugzeit, Flügellänge und Fließgewässer als Habitat zu sein. Wärme liebende Arten konnten sind ausbreiten, während Libellen kälterer Lebensräume auf dem Rückzug waren. Hier sieht das Autorenteam den Einfluss des Klimawandels auf die Ausbreitung von Libellen. Ebenfalls als günstig stellten sich ein früher Beginn der Flugzeit und die Länge der Hinterflügel – und somit eine höhere Mobilität – heraus. Libellen, die Fließgewässer bevorzugen, breiteten sich aus, solche, die in Mooren leben, zogen sich zurück. Die an Fließgewässern lebenden Arten konnten jedoch von verbesserter Wasserqualität durch verschiedene Gewässerreinhaltungsprogramme profitieren.

Insgesamt zeigte die Studie ein vielschichtiges Bild von der Verbreitung von Libellen in Deutschland. Ein genereller Artenrückgang konnte nicht nachgewiesen werden, auch keine Verarmung des Artenspektrums in einzelnen Lebensräumen. Viele Libellen profitieren vom Klimawandel und breiten sich weiter aus. Die seit den 80er-Jahren steigende Wasserqualität in vielen Flüssen und Renaturierungsmaßnahmen an Flüssen unterstützen diesen Trend für Fließgewässerarten. Auf der anderen Seite spielt der Verlust naturnaher Moore und ähnlicher Lebensräume sowie der erhöhte Wasserbedarf und damit das Sinken des Grundwasserspiegels, das unter anderem zum Verschwinden flacher Stillgewässer führt, eine Rolle beim Verschwinden mancher Arten.

Joachim Hustedt